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Kapitel 6

Lirian steht angespannt und blass im Personalflur, sein Mantel zerknittert von einer schlaflosen Nacht. Schatten legen sich wie blaue Flecken unter seine Augen, doch sein Kiefer ist fest zusammengebissen, eine stille Wut in seinem Blick, als Marisol ihn neben einer verschlossenen Tür in die Enge treibt. Ganz in Schwarz gekleidet, die Lippen in einem scharfen, gnadenlosen Karminrot, lässt sie ihre Finger leicht über einen USB-Stick tanzen, den sie ihm vor die Brust hält.

„Du weißt, was ich habe“, flüstert sie, ihre Stimme ein Messer direkt an seinem Ohr. „Du sabotierst Leute, Lirian. Ich habe Beweise.“ Er wirft ihr einen Blick zu, sein Kiefer zuckt. „Was willst du?“ Seine Hände zittern, doch er vergräbt sie tief in den Taschen, aus Angst, sie könnte es bemerken.

Marisol beugt sich vor, ihr Parfum scharf und unerbittlich. „Du wirst diese Restaurierung zum Scheitern bringen, oder ich zerstöre dich.“ Für einen Moment zerfällt Lirians Gesicht. Reue und Zorn kämpfen in seinen Augen. „Geh mir aus dem Weg“, sagt er, doch die Worte klingen hohl. Sie lächelt, dreht sich um und lässt ihn allein mit dem Echo seines eigenen Selbsthasses zurück.

Unten im Museum geht Era mit verschränkten Armen durch die leeren Gänge, die Ärmel ihres Cardigans verheddern sich nervös zwischen ihren Fingern. Sie spürt Veyrons Schatten hinter sich – hart, räuberisch, unerbittlich. Erst als sie außer Sichtweite sind, greift er nach ihrem Handgelenk und zieht sie in sein Sicherheitsbüro, die Tür klickt hinter ihnen zu.

Veyron trägt Schwarz von Hals bis Schuh, sein Haar zerzaust, als hätte er es heute schon ein Dutzend Mal durch die Finger gestrichen. Seine Augen sind wild; seine Worte ein leises, verletztes Knurren. „Du entgleitest mir.“ Sie blickt zu ihm auf, atmet flach, die Lippen halb geöffnet vor Verwirrung, Sehnsucht, Angst. „Veyron—“

Er unterbricht sie, küsst sie – hungrig, verzweifelt, seine Hände kalt und sicher, gleiten unter ihren Rock und drücken sie gegen die Metallspinde. Die Monitore flackern, werfen Licht auf ihre Körper, während er ihre Handgelenke über dem Kopf festhält. Sie keucht, zittert zwischen seiner Stärke und Sanftheit, sich gegen ihn wölbend. „Sag mir, dass du das willst“, haucht er, die Stimme brüchig. Ihre Antwort ist ein ersticktes „Ja, Gott, ja.“ Sie fallen ineinander – Aufprall und Erleichterung – sein Mund wild, ihrer verzweifelt, die Gefahr, erwischt zu werden, schärft jede Berührung. Als es vorbei ist, klammert sie sich an ihn, atemlos, sucht in seinen Augen nach dem Mann, für den sie fast gehalten hätte, dass er es sein könnte.

Ein Hauch von Schuld zieht über Veyrons Gesicht, doch er lässt sie nicht los. „Ich kann dich beschützen“, verspricht er. Sie schüttelt den Kopf, eine Träne läuft ihre Wange hinab. „Vor mir selbst kannst du mich nicht schützen.“

Woanders hocken Cael und Lirian über Dokumenten in der Museumslounge. Caels Hemd ist zerknittert, die Krawatte schief – er fährt sich nervös durch das zerzauste Haar, die Angst zuckt in seinem Kiefer. „Tomir kreist. Die Zahlen stimmen nicht. Wenn wir nichts tun…“ Seine Stimme verstummt, hoffnungslos. Lirian blinzelt heftig, versucht die Panik in seiner Brust zu verbergen. „Wir arbeiten zusammen“, murmelt er, „auch wenn wir uns hassen.“ Cael wirft ihm einen Blick zu, ein schwaches Lächeln spielt um seine Lippen. „Ich hasse dich nicht. Ich hasse nur… Angst zu haben.“

Der Waffenstillstand ist zerbrechlich, aber echt. Sie wühlen sich durch Rechnungen und Drohungen, Schweiß glänzt an Caels Schläfen. Lirians lange Finger zittern beim Schreiben, doch er hält durch. „Danke“, flüstert Cael, leiser als beabsichtigt.

Währenddessen beobachtet Zelle von einem Balkon oben, ein räuberisches Grinsen spaltet sein schönes Gesicht. Era geht unter ihm vorbei, die Wangen gerötet, das Haar zerzaust. Zelles Augen verengen sich – mit einem Wisch auf seinem Handy öffnet er eine verschlüsselte Nachricht, hängt eine Datei mit der Bezeichnung „Sicherheitsbüro-Aufnahmen“ an. Er drückt auf Senden, Zufriedenheit spielt um seine Lippen, als er sie an sein eigenes Postfach weiterleitet.

Eine Stunde später sieht Era auf ihr Handy und liest drei Worte: Ich weiß alles.

Unten steht Veyron allein im schwachen Licht der Monitore, ahnungslos, dass ihm gerade jedes Geheimnis entglitten ist.

Fortsetzung folgt...

Zerbrochene Glasherzen

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