Kapitel 7
Samt fängt das Licht ein, als Era durch die Menge huscht, ihr schwarzes Seidenkleid klebt feucht an ihrem Rücken. Das Haar zurückgesteckt, wirkt sie wie jemand, der sich mit Glas und Fäden zusammenhält. Ihre Lippen spannen sich zu einem vorsichtigen Lächeln, während die Gäste um sie herumwirbeln – Schultern gerade, den Atem angehalten, verzweifelt dem stechenden Blick von Zelle ausweichend, der bei der Champagnerpyramide lauert. Veyron steht am Rand des Raumes, der Anzug sitzt makellos, der Kiefer hart, die Augen auf Era gerichtet mit einem Hunger, halb Gebet, halb Warnung. An seinen Knöcheln klebt Blut, ein blauer Fleck zieht sich über seinen Wangenknochen vom früheren Kampf, doch er steht unbeirrt da, strahlt Besitzanspruch und Verlangen aus.
Cael scherzt mit Spendern an der Bar in der Mitte, sein Lachen klingt brüchig, während er sich heimlich einen Jeton als Glücksbringer einsteckt, der Daumen reibt nervös das abgenutzte Leder seines Portemonnaies. Immer wieder schweifen seine Blicke zu Era, verweilen auf der Schräglage ihrer Schultern und der Spannung, die ihre Lippen umspielt. Lirian taucht auf, durchnässt und außer Atem, die Haare kringeln sich an den Schläfen, der regengetränkte, kohlschwarze Anzug hüllt ihn in Sturm und Reue. Er nickt Era zu, ein Hauch von Sehnsucht in der schiefen Mundpartie, hält aber Abstand.
Tomir Syth, kalt in einer mitternachtsblauen Jacke, gleitet auf die kleine Bühne. Die Scheinwerfer lassen sein Lächeln messerscharf blitzen. „Meine Damen und Herren, heute Abend geht es nicht nur um Kunst – heute geht es um Wahrheit.“ Der Raum erzittert. Kameras blitzen und klicken; Era richtet sich auf, die Wirbelsäule starr; Veyrons Fäuste ballen sich. „Die Marrowstone hat... sagen wir mal, suboptimale Sicherheitsvorkehrungen getroffen“, zieht Tomir die Worte gedehnt, die Augen auf Veyron gerichtet. „Und es kursieren Gerüchte, dass ein gewisser Mitarbeiter mehr als einen Tresor geleert hat.“ Ein Raunen geht durch das Publikum. Era erstarrt, das Herz hämmert. Tomirs Blick gleitet zu Cael. „Und vergessen wir nicht, dass Schulden und Süchte ihre Spuren hinterlassen.“ Caels Maske fällt – bleich, entblößt – er taumelt zurück, der Mund verzerrt zu einem schnarrenden, beschämten Knurren.
Veyron, keuchend, bahnt sich einen Weg durch die Menge zu Tomir, doch die Museumswächter schließen die Reihen. Lirian findet Eras Hand, seine langen Finger zittern, als sie sich um ihre schließen. „Komm mit mir“, flüstert er, die Stimme ein kaum gezähmter Sturm. Sie entkommen dem Chaos, drängen durch Feuerschutztüren, hinauf über glitschige Treppen, hinaus auf das vom Regen peitschte Dach.
Unter einem dröhnenden Himmel verläuft Eras Mascara in schwarzen Streifen. Lirian zieht seine Jacke aus und legt sie ihr über die Schultern. Er umfasst ihr Gesicht, der Daumen streicht über eine Träne. „Es tut mir leid – für alles. Ich sabotiere die Dinge. Ich bin so müde, Angst zu haben.“ Sie lehnt sich an ihn, die Lippen leicht geöffnet, die Stimme dünn: „Ich bin nicht ganz, Lirian. Ich weiß nicht, wer ich ohne das alles bin – ohne die Krise.“
Blitze zucken über ihnen. Ohne Vorwarnung brechen ihre Geständnisse hervor – Reue, Verlangen, Geheimnisse, der Schmerz des immer Erreichens und nie Ankommens. Lirians Mund findet ihren, verzweifelt, entschuldigend, und sie schmilzt in ihn hinein, der Regen durchnässt Seide, Leinen und Haut. Er hebt sie auf das Dach, die Hände hastig, ehrfürchtig; ihre Beine schlingen sich um seine Hüften, die Finger klammern sich an den nassen Stoff an seinem Rücken, während sie nach einander greifen, atemlos, halb lachend, halb schluchzend, die Welt dreht sich unter ihren Körpern. Jeder Kuss schmeckt nach Hoffnung, vermischt mit altem Schmerz.
Danach liegen sie verschlungen da, die Kleidung klebt, der Donner rollt über einen blutunterlaufenen Himmel. „Ich will dich immer noch“, flüstert Lirian. „Egal, wie sehr es weh tut.“ Sie streicht ihm nasses Haar von der Stirn, sucht mit den Augen sein Gesicht nach etwas, an dem sie sich festhalten kann. „Ich will aus den richtigen Gründen begehrt werden“, sagt sie leise, die Stimme rau.
Unten brodelt das Chaos. Zelle verfolgt Eras Handy, seine Nachricht tropft vor Gift: Komm zurück zu mir, oder ich zerstöre alles. Veyron, suspendiert, sitzt allein im Dunkeln, starrt auf seine Hände und den Preis, zu viel zu lieben. Cael, taumelnd, findet Lirians Nummer in seinem Telefon – eine Rettungsleine, von der er nie dachte, dass er sie brauchen würde.
Eras Brust schmerzt vor Liebe, Angst und Freiheit, Tränen vermischen sich mit Regen, während sie sich kalt an Lirian klammert. Über ihnen zerreißt der Himmel, und irgendwo tief in ihr wagt etwas Zerbrechliches zu heilen.
Hinter ihnen knallt die Tür zu – Zelles Silhouette, kalt und scharf im Sturmlicht. „Era“, ruft er, die Stimme ein Versprechen und eine Drohung zugleich. Sie erstarrt, das Herz schlägt ihr bis zum Hals.
Fortsetzung folgt...