Kapitel 4
Eras Puls pochte heftig, als sie an den gläsernen Sicherheitstüren vorbeiging, die Fingerspitzen zitterten um den Ordner, den sie fest an ihre Brust presste. Ihr marineblaues Slipkleid schmiegte sich an ihre Hüften, der Seidenstoff fing das schwache Licht ein, während sie sich bewegte. Sie spürte Veyrons Blick, bevor sie ihn sah – in einer dunklen Nische gelehnt, breite Schultern angespannt, das anthrazitfarbene Hemd am Kragen geöffnet, Schlüsselbein gespannt vor Misstrauen. Seine schwarzen, scharfen Augen verfolgten jeden ihrer Schritte.
Sie wandte den Blick ab, schluckte ihre Nervosität hinunter, der Geruch von Lack und altem Papier brannte in ihren Lungen. Lirian stand im Restaurationsatelier, die Ärmel hochgekrempelt, die Haare zerzaust vor Sorge. Auf seiner Wange prangte ein blauer Farbfleck, sanft verschmiert auf blasser Haut. „Era“, sagte er leise, die Lippen zitterten vor unausgesprochenem Gefühl. Sie lächelte – klein, dankbar – getroffen von der Sanftheit, die sein Blick jedes Mal annahm, wenn er sie ansah.
Veyrons Stimme knisterte in ihrem Ohr. „Vertrau heute Abend niemandem.“ Sie klang scharf, tief und roh, kroch ihr den Rücken hinauf.
Sie fühlte sich zwischen ihnen zerrissen: Veyrons Intensität, ein geballtes Bündel aus Gewalt und verzweifelter Sehnsucht; Lirians Sanftmut, der Schmerz in seinen Augen, jedes Mal, wenn ihre Hand seinen Rücken streifte. Doch Tomirs Auftauchen kippte alles – er betrat den Raum mit der Leichtigkeit eines Jägers, die Lippen zu einem dünnen Lächeln verzogen, der Anzug makellos inmitten des Chaos, das nur er spürte. Er stellte Veyron in der Skulpturenhalle, die Stimme ein geflüstertes Drohen. „Die Leute vergessen nicht, was du getan hast“, murmelte Tomir, die Augen kurz zu Era gleitend. „Geheimnisse bleiben nicht begraben. Nicht in dieser Welt.“
Veyron spannte sich an, der Kiefer arbeitete, die Fäuste geballt, um nicht zu zittern. Er sah Era an, bemerkte, wie ihr Lachen immer einen Hauch von Entschuldigung trug, wenn Zelle in der Nähe war. Er fing einen Blick von Lirians Hand am unteren Rücken von Era auf – zu besitzergreifend, zu vertraut – und etwas in ihm zerbrach.
Später, im Restaurationsatelier, saß Era auf einer überladenen Werkbank, die Knie an die Brust gezogen. Lirian stand vor ihr, die Haare fielen ihm ins Gesicht, die Hände zitterten, als er eine lose Strähne hinter ihr Ohr steckte. Seine Finger verweilten, federleicht an ihrer Wange. Sie atmete schwer. „Ich bin es leid, so zu tun, als würde nichts weh tun“, flüsterte sie, die Stimme brach an dem Wort. Seine Arme schlossen sich um sie, bevor sie fertig war; sein Kuss war zögerlich, dann dringlich, Zärtlichkeit, die in Verlangen überging.
Sie zog ihn näher, die Lippen öffneten sich, das Echo ihrer eigenen Sehnsucht überraschend und süß. Lirians Hände glitten unter den Saum ihres Kleides, raue Handflächen auf seidiger Haut, und sie keuchte, schwindelig vor Verlangen. Sie setzte sich auf ihn, zog sein Hemd auf, entblößte seine Brust, während ihre Atemzüge sich verfingen. Sein Mund fand ihren Hals, hinterließ heiße, offene Küsse. Ihre Hände fummelten an seinem Gürtel, Angst und Erregung verschmolzen zu etwas Unbesonnenem und fast Schönem.
Ein vibrierendes Handy auf der Werkbank zerriss den Moment. Zelles Name blinkte auf dem Display. Panik zeichnete sich auf Eras Gesicht ab; Lirian zuckte zusammen, Scham überschwemmte seine Züge. Sie legte die Stirn an seine, Tränen brannten, unfähig zu antworten. Die Stille zwischen ihnen wurde schwer.
Woanders sah Veyron körnige Überwachungsaufnahmen des Ateliers, die Knöchel weiß vor Anspannung. Tomir trat an seine Seite, die Stimme schleimig, gefährlich: „Du verlierst sie, Drayce. Und wenn das passiert, fällt alles auseinander.“
Era eilte aus dem Atelier, ihr Kleid zerknittert, das Make-up von Lirians Küssen verwischt. Tomir tauchte im Flur auf, stellte sich ihr in den Weg. Sein Lächeln war intim und eiskalt. „Ich weiß, was Veyron getan hat“, flüsterte er, beugte sich vor. „Und Era – nicht mal dein Geheimnis ist sicher.“
Ihr Atem stockte. Jeder Nerv schrie. Sie spürte Lirians Wärme noch auf ihrer Haut, doch sofort ersetzte kalte Angst sie, als hätte man sie mit Eis übergossen. Tomirs Schatten blieb lange, nachdem er sich entfernt hatte, ließ Era allein im Flur zurück, das Herz hämmerte, die Last des Verrats von allen Seiten drückend.
Fortsetzung folgt…