Kapitel 4
Leras Bluse ist aus zartem, cremefarbenem Seidenstoff, am Kragen steif und akkurat, jeder Knopf ein Zeichen dafür, dass nichts dem Zufall überlassen ist – außer vielleicht dem Zittern ihrer Hände, während sie draußen vor dem Aufzug durch ihr Handy scrollt. Sie richtet die Wirbelsäule durch, die Lippen zu einer dünnen, entschlossenen Linie gepresst, doch ihre Augen huschen nervös umher, suchen hinter jedem Spiegelbild nach Gefahren. Ihre Haltung ist legendär, doch heute Abend ist sie ein Kostüm, genäht aus Verzweiflung.
Ihr Handy vibriert; diesmal eine unbekannte Nummer. Sie liest die Nachricht – nur eine einzige Zeile. Frag ihn nach Freitagabend. Er wird es wissen. Ihr Daumen schwebt, die Knöchel weiß vor Anspannung, dann lässt sie das Gerät in ihre Tasche gleiten, bevor jemand ihr Zögern bemerken kann. Die Aufzugtüren öffnen sich. Sie tritt ein, sammelt ihre Fassung wie eine Rüstung.
Unten im Café lehnt Sidelle am Tresen, ihre platinblonden Haare fallen in Wellen und verbergen kaum die Wildheit in ihren Augen. Ihr Lippenstift ist verschmiert, nicht kunstvoll, sondern abgebissen, als schmeckten Fehler besser als Reue. Sie beobachtet, wie Leras Schatten auf den Fliesen länger wird, und lächelt scharfkantig, bevor sie sich der Espressomaschine zuwendet – ein Schauspiel der Ablenkung. Ihre Eifersucht ist greifbar, gesüßt mit einer Prise Trotz. Unter dem Tresen tippt sie heimlich eine Nachricht, ihre lackierten Nägel klopfen einen Verratspuls.
Ithran stürmt von der Straße herein, die Kamera gefährlich an seinem Hals baumelnd, voller lässigem Gehabe und nervöser Energie. Seine Jacke ist halb geöffnet, das Hemd klebt an Haut, die nach Zigaretten, Regen und Adrenalin riecht. Er wirft Sidelle kaum einen Blick zu, als er direkt nach hinten eilt – seine Vermeidung so spitz wie jede Beleidigung.
Sidelle ruft ihm nach, ihre Stimme süßlich, aber brüchig. „Schon wieder was im Lager vergessen, Ithran? Oder nur den Geschmack?“ Ihr Lachen ist ein Dolch, doch er dreht sich nicht um. Nur sein Kiefer spannt sich im Profil.
Oben klicken Leras Absätze den Flur entlang zum Büro des Clubs. Rhysant empfängt sie, sein maßgeschneiderter Anzug zerknittert vom Schlafmangel, Krawatte gelockert, Wut strahlt aus jedem angespannten Muskel. Seine Augen – schwarz, unerbittlich – fixieren sie.
„Du glaubst, du bist unantastbar“, sagt er leise, fast vertraulich. „Bist du nicht. Sidelle hat geredet.“ Seine Worte sind Warnung, Drohung und etwas anderes – ein Flehen nach Ehrlichkeit, die sie nicht geben will.
Leras Antwort ist eiskalt und geübt: „Angst, ich nehme dir den Thron weg, oder dass die Leute endlich sehen, wie du blutest?“
Rhysants Hand knallt die Tür hinter ihr zu. Das Schloss klickt. Sie zuckt nicht zusammen. So nah verschwimmen ihre Fronten; Stolz und Verzweiflung kämpfen in der Luft zwischen ihnen. Sein Blick verweilt auf ihrem Schlüsselbein; ihre Lippen öffnen sich zur Herausforderung. Er beugt sich vor, nicht zum Kuss, sondern zum Geständnis – die Stimme rau. „Du bist nicht die Einzige, die etwas zu verlieren hat.“
Unten wischt Sidelle den Tresen wütend ab. Ihr Spiegelbild flackert im Glas, die Konturen verzerrt. Sie wirft einen Blick auf ihr Handy – eine Nachricht gesendet, eine weitere zum Verfassen. Ihr Herzschlag tanzt zu einem neuen Rhythmus: Zufriedenheit gemischt mit dem Schmerz des Ausgeschlossenseins. Sie stellt sich das Chaos vor, das sie gesät hat, probiert ein Lächeln, doch es sitzt nicht richtig.
Später findet Sidelle Rhysant allein im Lagerraum, die Schultern gesenkt, Krawatte abgelegt. Sie rückt näher, die Hüfte streift seinen Oberschenkel, die Stimme ein Flüstern, das verletzen soll. „Du weißt, sie wird dich nie wirklich wollen.“
Seine Augen schließen sich für einen Moment, Schmerz sickert durch die Risse, doch er lässt ihre Berührung zu – lässt sich von ihr ziehen. Ihre Münder treffen sich, voller Zähne und Bitterkeit, Hände gierig und unsicher. Die Begegnung ist hektisch, Körper gepresst zwischen Kisten und unausgesprochenem Kummer. Ein Aufblitzen von Hitze, ein verzweifeltes Festhalten, doch es hinterlässt sie leerer, ihre Wut ungelöst, ihre Reue verstärkt im Schweigen danach.
Sidelle knöpft ihre Bluse mit zitternden Fingern zu, Mascara verschmiert von mehr als nur Schweiß. Rhysant meidet ihren Blick. Sie schleicht sich davon, das Herz rast, ein bitterer Schmerz breitet sich in ihrer Brust aus – Sieg, der in Einsamkeit umschlägt.
Oben vibriert Leras Handy erneut. Die Gruppenchat-Nachricht lodert auf: „Du bist erledigt.“ Ihr Puls stolpert. Sie lässt das Handy fallen, der Bildschirm taucht ihr Gesicht in kaltes, blaues Licht der Enthüllung. Zum ersten Mal bricht ihre Fassung zusammen – die Schultern ziehen sich zusammen, der Atem flach, die Königin endlich vom Thron gestoßen.
Fortsetzung folgt...