Kapitel 3
Rhysants Kiefer ist hart zusammengepresst, seine scharfen Wangenknochen von einer Bitterkeit gerötet, die sich kaum unter seinem schiefergrauen Anzug und dem akkurat gebundenen Krawattenknoten verbergen lässt. Seine Augen, kühl und undurchschaubar, schweifen durch die leere Galerie, in der Ithrans Fotografien hätten hängen sollen – die Wände jetzt kahl, die Scheinwerfer grausam auf das Nichts gerichtet. Rhysant steht in der Stille, den Rücken gerade, die Hände so fest geballt, dass die Knöchel weiß werden, und genießt das Schweigen, das sein Sabotageakt geschaffen hat. Ein Funken Genugtuung blitzt in seinem Blick auf, doch darunter flackert etwas Giftiges – eine Erinnerung, die er nicht schlucken kann, ein Groll, der nach altem Blut schmeckt.
In einem anderen Teil der Stadt ist Lera das Bild von Macht in einem eng anliegenden schwarzen Kleid, ihre Haltung messerscharf und bewusst, während sie durch die Marmorlobby gleitet. Sie beansprucht Raum allein durch ihre Präsenz, jeder Blick sitzt perfekt: Lippen in gnadenlosem Rot, das Haar zu einem glänzenden Knoten gedreht, der sagt: Ich bin unzerbrechlich. Rhysant findet sie an der Bar, und ihre Blicke treffen sich – ein Aufprall, kein Gruß. Sein Lächeln ist schmal, fast spöttisch.
„Du warst schon immer gut darin, Rückschläge zur Show zu machen“, murmelt er, die Stimme leise, mit einem scharfen, eisigen Unterton.
Sie dreht sich so, dass er die hochgezogene Augenbraue sieht, wie ihre Finger ein Glas Whiskey umschließen – unbeeindruckt, doch in der Spannung ihrer Schultern liegt ein kaum wahrnehmbares Zittern der Erwartung. „Ich lebe von der Show“, erwidert sie, der Ton eine Herausforderung. Ihr Schlagabtausch ist Flirten, getarnt als Fechtkampf, jedes Wort tastet nach Schwäche. Rhysant beugt sich vor, der Hauch seines Ärmels an ihrem nackten Arm elektrisiert sie, und für einen atemlosen Moment wankt ihre Kontrolle. Die Luft zwischen ihnen leuchtet vor Möglichkeiten – doch dann zieht sie sich zurück, das Kinn erhoben, und der Zauber zerbricht.
Es ist Sidelle, die Lera den nötigen Vorsprung verschafft. Sidelles Augen sind schlau und wachsam, ihre Jeans eng, das Haar zerzaust von einer unruhigen Nacht, sie verweilt zu lange vor der VIP-Loge. Lera rückt zu ihr, die Stimme weich, sirupartig. „Du stehst Ithran nah, oder? Hat er dir je gesagt, was er wirklich will?“ In Sidelles Lachen schimmert Verzweiflung, doch das Versprechen, dazugehören zu dürfen, ist zu verlockend. Sie verrät Bruchstücke: Ithrans Angst vor Entdeckung, sein Verlangen nach Flucht, wie sein Lächeln nie ganz zu seinen Augen durchdringt. Lera hört zu, spielt Gleichgültigkeit vor, doch ihre Pupillen weiten sich mit jedem Geheimnis.
Später findet Ithran Lera in einem düsteren Büro, das einzige Licht fällt vom Schein der Stadt auf ihre Beine. Er wirkt ungestüm in einem abgetragenen grauen T-Shirt, das Haar zerzaust, die Kamera wie ein nachträglicher Gedanke um den Hals gehängt, atmet schwer, als hätte er der Reue davonlaufen wollen. Ihre Worte sind scharf, geladenes Geplänkel – doch ihre Körper verraten sie: Ihr Mund trifft seinen, abrupt und wild. Der Schreibtisch bebt unter ihrer Dringlichkeit; Leras Atem stockt, die Nägel kratzen über Ithrans Rücken, während sie um die Oberhand kämpft, nicht zulassen will, dass er sieht, wie Verlangen ihre Fassung zerreißt.
Ithran küsst ihren Kiefer, der vor Sehnsucht blau schimmert. „Du willst immer gewinnen“, flüstert er, die Lippen zittern auf ihrer Haut. Lera lacht, weich, doch unsicher. „Wer’s sagt, hat’s wohl selbst drauf.“ Beide zittern, balancieren am Rand der Hingabe – bis Schuld Ithrans Verlangen durchbohrt. Er zieht sich zurück, meidet ihren Blick. Lera richtet sich auf, das Kleid verrutscht, der Stolz verletzt, doch ihr Gesicht bleibt undurchschaubar. Für einen Moment wirkt er fast zerbrochen, als hätte die Freiheit einen zu hohen Preis gefordert.
Im Halbdunkel des Flurs fällt Ithran ein Foto ins Auge, das an der Wand klebt – schwarz-weiß, die körnige Intimität unverkennbar. Es zeigt ihn und Lera, eng umschlungen, rohes Verlangen, offene Gesichter. Kein Name, keine Drohung, nur das Bild – eine Waffe, die nur darauf wartet, eingesetzt zu werden.
Er reißt es ab, der Atem zittert. Jemand beobachtet sie. Geheimnisse sind jetzt Währung – und alle sind pleite.
Fortsetzung folgt...