Kapitel 7
Cyrans Finger zitterten, während er durch die Flut an vorwurfsvollen Nachrichten scrollte, die seinen Morgen zerstört hatten. Im Halbdunkel wirkte er hager: Wangen eingefallen, ein Schatten von Stoppeln zog sich entlang seines Kiefers, seine ängstlichen blauen Augen huschten zwischen dem Handy und der matt beschlagenen Bürotür hin und her. Sein dunkelblaues Hemd war zerknittert, die Ärmel hochgekrempelt, Adern zeichneten sich auf seinen blassen Handgelenken ab. Jeder Muskel in seinen Schultern war angespannt, als würde er sich auf einen Schlag vorbereiten, den er weder sehen noch entkommen konnte.
Die Agentur war zur Bestie geworden. Flüstern breiteten sich in jedem Flur aus. Gaven schlich mit einem schlauen, schiefen Grinsen vorbei, seine Blicke verweilten zu lange auf Cyrans angespannter Haltung. Rhion glitt durch das Gewirr der Schreibtische, jede Kurve ihrer schlanken Gestalt zeichnete sich unter dem strengen, anthrazitfarbenen Kleid ab, ihr Gesicht eine polierte Maske – bis auf das flüchtige Aufflackern von Verletzlichkeit, als sie Vessas Lachen quer durchs Zimmer hörte.
Vessas Blick traf Cyrans, brennend vor Vorwurf und Verlangen. Ihr schwarzer Jumpsuit schmiegte sich an ihre schmalen Hüften, eine wilde Locke fiel ihr über die Stirn. Ihre Lippen, sonst von neckischer Selbstsicherheit geformt, waren aufgerieben und blutig gekaut. Jetzt war da Distanz: diese Art von Abstand, die ihm die Brust zuschnürte.
Als die Nerven in der Agentur rissen, war es brutal und plötzlich. Naelas Stimme donnerte hinter verschlossenen Türen. Anschuldigungen. Verrat. Rhion beobachtete das Chaos wie eine Königin zwischen Trümmern, die Arme verschränkt, die Knöchel weiß vor Anspannung, sich scharf bewusst der Akte, die Gaven ihr gerade übergeben hatte – ein roter Faden, der ihn mit ihrem Untergang verband.
In jener Nacht lag das Büro unter einem Schleier aus billigem Neonlicht und Verzweiflung. Vessa kam atemlos ins leere Studio, verschmierter Mascara auf den Wangen, die Fäuste tief in den Taschen vergraben. Cyran stellte sie dort, die Stimme rau. „Du hast gesagt, du würdest es mir sagen, wenn etwas nicht stimmt. Du hast es versprochen.“
Ihr Lachen war brüchig, ihre Worte spröde. „Und du würdest es mir sagen, wenn du heimlich mit der Strategin rummachst?“ Sie stieß ihn weg; er rührte sich nicht, die Augen brannten vor hilfloser Qual. „Ich hab nicht...“
„Lass es,“ spuckte sie aus und trat zurück, bevor er sie erreichen konnte. „Du hast schon gelogen.“
Er schluckte, Qual verzerrte sein Gesicht, doch sie war schon weg, die Locken peitschten hinter ihr her, die Stiefel hallten den Flur entlang. In diesem Moment zerbrach alles in ihm – er spürte es daran, wie seine Hand in der Luft schwebte, die Finger sich krümmten, sehnsüchtig nach einer Berührung, die nicht kommen würde.
Unter dem grellen Licht fand Vessa Kas, die an einem Kostümständer warteten, ihr androgynes Wesen angespannt, die Augen groß und voller Mitgefühl. Ihre Lippen zitterten, als sie die Hand ausstreckten, die Stimme sanft. „Du musst nicht allein sein.“
Vessas Mauern brachen ein. Im Schweigen des Studios legte sie die Stirn an Kas’, ließ sich halten, zitternd. Kas’ Berührung war vorsichtig, ehrfürchtig, glitt ihre Arme hinauf – zögernd, aber hungrig, als wollten sie jede Linie ihres Körpers auswendig lernen. Vessas Hände fanden Kas’ Kinn, der Daumen zeichnete eine Linie bis zu ihrem Mund, ihre Atemzüge flach und unregelmäßig. Sie küssten sich – eine suchende, elektrische Kollision – Vessas Körper schmolz an sie, verzweifelt nach Trost, nach Vergebung, nach etwas, das sich wie Hoffnung anfühlte.
Kleider fielen zu Boden: verschlungene Finger, Schauer, Kas’ Brust gegen ihre. Die Luft vibrierte vor Verlangen und Schmerz. Tränen liefen Vessa über die Wangen, während sie sich an Kas presste, jeder Kuss eine Frage, jeder Seufzer eine Antwort. Es war flüchtig, roh, zwei Seelen, bis auf die Wahrheit entblößt – nichts zwischen ihnen als Haut und Zärtlichkeit. Als es vorbei war, lag Vessa mit Kas verheddert, die Augen weit und verloren, die Finger zeichneten Kreise auf nackter Haut, das Herz hämmerte vor Schuld und Verlangen.
Unterdessen saß Rhion allein in ihrem Büro, der Rücken steif, die Augen glasig. Gaven lehnte im Türrahmen, spielte mit einem USB-Stick, sein Lächeln scharf, räuberisch. „Es bricht alles zusammen, Rhion. Du und das goldene Paar – ihr seid alle entlarvt.“
Sie starrte ihn an, das Blut wich aus ihrem Gesicht. Zum ersten Mal wirkte sie klein – nur eine Frau, deren Maske rutschte, Panik, die durch sie hindurchbrannte.
Doch es war die Nachricht, die bei Tagesanbruch auf allen Bildschirmen der Agentur aufblitzte – hart und unmissverständlich im Dunkel:
DAECHER. SONNENAUFGANG. ALLE GEHEIMNISSE ENTHÜLLT.
Fortsetzung folgt...