Kapitel 3
Cyrans Finger zitterten, als er sein zerknittertes Hemd glatt strich – ein nervöser Tick, den er seit den Drohungen nicht mehr ablegen konnte. Er verweilte am Glastürrahmen des Konferenzraums, steif und zurückgezogen, suchte Halt, während Stimmen von drinnen herüberwehten. Er wirkte fast zu jung für diese Welt – blass, mit tief liegenden grauen Augen, die nervös umherschauten, der Kiefer scharf geschnitten, doch von blutig gebissenen Lippen gemildert, ein stummer Kampf gegen die Panik. Er zögerte, dann trat er ein.
Rhion war schon da, das Haar streng zu einem straffen Dutt zurückgekämmt, die Lippen zu einer undurchdringlichen Linie gepresst. Ihr Anzug makellos – tintenschwarz, knitterfrei, kein Haar saß schief. Sie stand am Fenster, die Arme verschränkt, der Blick kühl und unnahbar. Niemand konnte sagen, was sie dachte, doch ihre Augen huschten mit spitzfindigem Interesse zu Vessa.
Vessa lehnte lässig am Tischrand, in einem übergroßen roten Hemd und zerrissenen Jeans, die Kamera noch wie ein Schutzschild um den Hals geschlungen. Ihre Augen waren von verbliebenem Eyeliner verschmiert, gaben ihr eine geisterhafte Ausstrahlung; ihr Mund zuckte zu einem faulen, herausfordernden Halb-Lächeln, als sie Cyrans Blick auffing. „Siehst aus, als hättest du in dem Hemd geschlafen, Elion“, neckte sie, die Stimme zu leicht, um die Erschöpfung zu verbergen. Cyran errötete, wippte von einem Fuß auf den anderen, die Hitze kroch ihm den Nacken hoch.
Rhions Ton schnitt wie ein Messer. „Wir brauchen die finalen Entwürfe bis Mittag. Vessa, verpass das nicht.“ Sie legte Nachdruck auf das Wort, die doppelte Bedeutung klar. Der Raum füllte sich mit lautlosem Wettstreit.
Cyran sah, wie Vessas Lippen sich öffneten, als wollte sie kontern, doch sie schmunzelte nur und rollte mit den Augen, schob sich an Rhion vorbei mit einem kaum verhohlenen Schaudern der Gereiztheit. Ihre Schultern streiften sich – ein elektrisierender Funke, die Spannung zwischen ihnen greifbar. Rhions Augen verengten sich, während sie ihrer Rivalin nachsah.
Später, im Studio, saß Vessa zusammengesunken über ihrer Ausrüstung, die Schultern hingen herab. Ihre Finger tasteten unsicher am Objektiv, die Fassade war gefallen. Cyran stand im Türrahmen, die Fäuste ballten sich und lösten sich wieder, wollte sich nähern, fürchtete aber Zurückweisung. „Harmer Morgen?“ wagte er, rau, doch sanft. Sie blickte auf, ein kurzer Schmerz blitzte in ihren Augen auf, bevor sie ihn mit einem schiefen Grinsen verbarg.
„Jeder Morgen ist hart“, antwortete sie, ihre Fassade bröckelte. Er trat näher, das Herz raste, angezogen von ihrer Verletzlichkeit. Die Luft zwischen ihnen vibrierte vor unausgesprochener Sehnsucht. Cyran berührte ihre Hand, nur einmal, eine federleichte Berührung – ihre Haut warm und zitternd unter seinen Fingern.
Plötzlich stand Rhion in der Tür, kalt kalkulierend beobachtend. „Vessa, der Kunde will in zwanzig Minuten Testaufnahmen. Verhaue das nicht“, sagte sie und hielt Vessas Blick einen Moment zu lang, eine stumme Anklage schwang unter den Worten mit. Vessa erstarrte, biss sich auf die Lippe, Wut und Scham kämpften in ihrer Haltung.
Während Vessa ihre Kamera für den Shoot einstellte, verrieten kleine Zitteranfälle ihre Nerven. Rhion, am Monitor sitzend, machte mit klinischer Distanz Notizen, doch ihr Kiefer spannte sich, in jedem Blick lag ein Funken Missgunst. Sie erwähnte absichtlich einen „technischen Fehler“ über die Sprechanlage und sabotierte so Vessas Setup. Die Lichter flackerten; Vessa fluchte leise, versuchte den zerstörten Shot zu retten, während der Kunde verwirrt die Stirn runzelte.
Cyran, hilflos, sah, wie Scham Vessas Wangen färbte. Er wollte sie verteidigen, doch erfror, gequält von seinen eigenen Geheimnissen. Er blieb, nachdem alle gegangen waren, die Spannung lastete schwer. Vessa, wütende Tränen in den Wimpern, trat gegen ein Requisit, atmete schwer.
Er ging zu ihr, sanft, aber verzweifelt. „Lass sie nicht an dich ran. Du bist großartig, Vessa.“ Seine Stimme war roh vor Aufrichtigkeit, die Augen brannten in ihre. Sie sah ihn an, die Brust hob und senkte sich, die Maske brach endlich. Für einen Moment ließ sie sich auf seine Berührung ein – die Stirn an seine Schulter gelehnt, all ihre Fassade löste sich auf.
Im dämmrigen, frühen Morgenstille ihres Studios fielen sie ineinander, suchten Trost in den Armen des anderen. Halb entkleidet, Küsse salzig von Tränen und Verlangen. Es ging nicht um Lust oder Sieg; es war Verzweiflung, zwei Menschen, die sich an die einzige Wärme klammerten, die sie finden konnten. Vessas Hände verirrten sich zitternd in Cyrans Haar, während sie sich in seiner Umarmung auflöste. Sein Atem stockte am Halsansatz, sein eigener Schmerz brach hervor. Die Welt draußen verblasste, nur ihre hastigen Atemzüge und geflüsterte Versprechen, an die keiner so recht glaubte.
Danach, eng aneinandergepresst auf der abgewetzten Couch, zeichnete Vessa Kreise auf Cyrans nackter Schulter, die Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Ich kann das nicht… mich öffnen.“ Cyran küsste ihre Finger, seine Antwort unausgesprochen, aber voller Kraft.
Als die Morgendämmerung hereinbrach, wurde die Realität schärfer. Cyrans Blick fiel auf ihr zerfleddertes Portfolio, das offen neben ihnen lag, die Seiten schief. Er runzelte die Stirn, scannte die Fotos – und entdeckte einen Brief, halb zwischen den Abzügen versteckt, mit einer erpresserischen Drohung, die Vessas Namen durchzog. Sein Herz zog sich zusammen.
Er sah Vessa an – schläfrig, neu verwundbar, so unendlich schön – und zögerte, das Geheimnis brannte auf seiner Zunge. Doch sie wandte sich ab, und etwas Zerbrechliches zwischen ihnen hing in der Luft, bebend.
Fortsetzung folgt...