Kapitel 2
Das gedämpfte Pulsieren der Nachtschichtlichter warf seltsame Schatten an die gläsernen Wände des Konferenzraums und fing blasse Spiegelungen von Cyran ein, der über seinem Laptop zusammengesunken saß, die Ärmel bis zum Ellbogen hochgekrempelt, dunkles Haar wirr ins Gesicht fallend. Sein Hemd – halb aus der Hose gezogen, der Kragen leicht zerknittert – verriet, wie lange er schon hier war und wie wenig ihn der Eindruck interessierte, den er machte, solange es nicht um Worte ging. Er kaute auf seiner Unterlippe, warf einen Blick auf die tickende Uhr, dann zurück auf die leere Seite, sich bewusst, wie wenig er schrieb und wie dringend er einen Funken brauchte.
Ein lautes Lachen riss ihn aus seiner Konzentration. Vessa trat ein, gefährlich und strahlend in einem schulterfreien, indigoblauen Seidenkleid, die Kamera wie eine Waffe an der Hüfte baumelnd. Ihr Lippenstift – ein verführerisches Rot – passte zu dem wilden Erröten auf ihren Wangen. Sie bewegte sich mit der lässigen, raubtierhaften Eleganz einer Frau, die es gewohnt war, beobachtet zu werden, doch ihre Augen huschten zu schnell über die leeren Stühle, suchten etwas, das sie von dem Hunger ablenkte, der an den Rändern ihres Lächelns nagte.
Sie ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Cyran fallen, drehte ihn seitlich und schlug die Beine unter sich zusammen. „Schon wieder festgefahren?“ neckte sie, ihre Stimme rauchig vor Erschöpfung und nächtlicher Vertrautheit. Ihre Finger trommelten einen unregelmäßigen Rhythmus auf den Tisch, Armbänder blitzten unter dem grellen Licht.
Cyran erwiderte ihren Blick, ein wenig vorsichtig, ein wenig gebannt. „Du machst es schwer, sich zu konzentrieren, weißt du das?“ Ein Hauch von Humor lag darin, doch er meinte es ernst – seine Brust zog sich zusammen bei ihrer Nähe, bei dem Duft, der zwischen ihnen schwebte – etwas Scharfes, etwas Süßes.
Vessas Lippen zogen sich zu einem halben Schmollmund. „Vielleicht sollte ich dir helfen.“ Ihr Blick verweilte offen auf seinem Mund. Sein Herzschlag beschleunigte sich, Hitze stieg unter seiner Haut auf. Die Spannung, sonst immer angespannt und zusammengeknüllt, dehnte sich dünn aus, summte zwischen ihnen. Ihr Fuß streifte absichtlich seine Wade unter dem Tisch. Er atmete scharf ein, sah, wie ihr Gesicht von schelmisch zu nackt und suchend wechselte.
Sie hörten kaum, wie das Reinigungspersonal ging; die Agentur gehörte ihnen, eine Welt, geschrumpft auf zwei. Vessa stand auf, überragte ihn, ihre Hand glitt zum Nacken, zwang ihn, aufzublicken. Ihr Atem war warm an seiner Kieferpartie. „Willst du aufhören, so zu tun?“ flüsterte sie.
Er schüttelte den Kopf, atemlos. „Nein. Bitte nicht.“ Sie stürzte sich auf ihn, hungrig, ihre Zunge strich gegen seine, ertränkte jede letzte Angst. Seine Hände fanden ihre Taille, glitten über die Seide, spürten die Wärme ihres Körpers, ihr Zittern – Verlangen, getarnt als Ungeduld. Knöpfe wurden hastig geöffnet, ihr Kleid glitt von der Schulter, seine Lippen suchten verzweifelt ihren Hals, ihr Schlüsselbein. Sie zerrte an seinem Gürtel, Nägel kratzten über seine Hüfte, beide halb lachend, halb zusammenbrechend am Rand des Konferenztisches, Notizbücher und Stifte auf den Boden verstreuend.
Ihre Körper pressten sich aneinander, unbeholfen vor Verlangen, die Dringlichkeit wuchs mit jedem Keuchen. Vessas Hände verhedderten sich in seinem Haar, zogen ihn näher, ihre Oberschenkel schlossen sich fest um seine Hüften. Cyran atmete den salzigen Duft ihrer Haut ein, das rasende Pochen ihres Herzens. Für einen langen Moment verschwand die Welt – nichts als hektisches Flüstern, das Knirschen von Zähnen, das sengende Gleiten von Haut, das Brennen des Begehrens und Begehrtwerdens.
Und dann, plötzlich, drangen Stimmen herein – das Gebäude war doch nicht so leer, wie sie dachten. Vessa erstarrte, die Stirn an Cyrans gedrückt, der Atem zitterte. Sie lachten leise, überrascht und ausgeliefert, hielten sich im Halbdunkel, die Herzen hämmerten ihre Geheimnisse auf den glänzenden Tisch.
Später, als Vessa sich wieder in ihr Kleid schlüpfte, sich mit ruhiger Trotz wieder anzog, beobachtete Cyran sie – wildes Haar, verschmierter Mascara, vom Kuss gezeichnete Lippen – und spürte, wie etwas wie Hoffnung in seiner Brust aufkeimte. Sie erwischte ihn beim Starren, schenkte ihm ein schiefes Lächeln, Verletzlichkeit blitzte in ihren Augen auf, bevor sie es mit einem lässigen Zwinkern verbarg. „Verlieb dich nicht, Poet. Nicht in mich,“ sagte sie, die Stimme weich wie eine Herausforderung.
Bevor er antworten konnte, ging Gaven im Flur vorbei, hielt kurz inne, die Augen verengten sich, ein wissendes Lächeln spielte um seine Lippen. Vessa spannte sich an, sammelte ihre Sachen und verließ Cyran allein mit dem Nachklang ihres Duftes, dem Brennen ihrer Lippen und der Gewissheit, dass sich alles gerade verändert hatte.
Später, allein an seinem Schreibtisch, blinkte Cyrans Handy auf – eine neue Nachricht, diesmal schärfer, persönlicher: Du bist nicht die Einzige, die beobachtet wird. Pass auf, wen du berührst, sonst zerbricht sie auch. Seine Hände zitterten beim Lesen, starrten in die Dunkelheit jenseits der Lagerhausfenster, fragend, wie nah die Gefahr wirklich war.
Fortsetzung folgt...