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Kapitel 5

Irisas Hände zittern, während sie die zerdrückten Hortensien in ihrem Eimer neu ordnet, die Nägel kurzgebissen, halb die Blütenblätter zerfetzt – und trotzdem will es ihr nicht gelingen, dass sie so fallen, wie sie es sich vorstellt. Ein Pollenfleck klebt auf ihrer Wange, ihr Zopf löst sich, doch sie nimmt es nicht wahr – der Kiefer angespannt, die Augen huschen jedes Mal nervös, wenn jemand an ihrem Stand vorbeigeht. Ihre Stimme, wenn sie einen Preis nennt, geht kaum über das Murmeln der Menge hinaus.

Später, im Café-WC, knicken ihre Knie ein und sie sinkt mit dem Rücken gegen die kalten Fliesen. Ihr Atem kommt in flachen Stößen, die Handflächen presst sie an die Brust, als wolle sie sich selbst zusammenhalten. Minuten vergehen, vielleicht Stunden, bis die Tür leise klappert und Lex hereinschlüpft, seinen großen Körper gebeugt, als er sich neben sie hockt. Er trägt eine ausgewaschene grüne Schürze, Mehl an einem Ärmel, zerzaustes Haar. Mit stiller, schmerzlicher Sorge sieht er sie an.

„Hey, Irisa“, sagt Lex leise, seine Stimme ruhig. „Du bist okay. Ich bin hier.“ Er setzt sich mit verschränkten Beinen, und sie lässt den Kopf in seinen Schoß sinken, zitternd. Er streicht beruhigend in Kreisen über ihren Rücken, die andere Hand zittert, zögert, findet dann ihr Haar und fährt sanft hindurch. Sie riecht Regen und Kaffee und etwas Wildes, und für einen Moment lässt sie sich trösten.

„Es tut mir leid – ich weiß einfach nicht, wie ich es stoppen soll“, flüstert sie, der Atem stockt, Tränen brennen auf ihren Wangen. Er wischt eine mit dem Daumen weg, die eigenen Wangen tiefrot, doch sein Blick bleibt fest.

„Du musst es nicht“, murmelt er. „Nicht bei mir.“ Ihre Hand sucht seine, drückt sie, und er beugt sich vor, drückt einen zögerlichen Kuss auf ihre Schläfe. Sie dreht sich, streift mit den Lippen seine Wange – ein Danke, ein Vielleicht – während Sehnsucht in seiner Brust brennt, scharf und hilflos. Sie zieht sich als Erste zurück, die Augen glänzen vor Traurigkeit.

Zurück an ihrem Stand, der Abendhimmel violett hinter ihr, sitzt Myka auf einer Kiste, scharfäugig und unruhig. Mykas Lippen sind mit Beerenglanz getönt, immer halb lächelnd. „Du siehst aus, als hättest du die Hölle durchgemacht, Liebling. Erzähl.“ Irisa kaut auf der Lippe, der Blick huscht umher. „Ich hab etwas Schreckliches getan, Myka. Ich kann Kael nicht weiter anlügen.“ Seinen Namen sagt sie nicht sanft.

Mykas Braue hebt sich, der Spott ist weg. „Du musst es ihm sagen. Es tut weniger weh, wenn es von dir kommt.“ Irisa nickt, die Schultern sinken ein, eine Entscheidung beginnt langsam und schmerzhaft in ihrer Brust zu wachsen.

Kael taucht nach Ladenschluss auf, sein schwarzes Hemd hängt lose, die Ärmel hochgekrempelt, das Haar zerzaust vom nächtlichen Durchfahren mit den Fingern. Seine Augen sind gerötet, roh, voller Stürme – er sieht sie nicht an, greift nur nach Kisten und stapelt sie grob. Sie geht zu ihm, bleibt dicht hinter ihm stehen, ihr Atem streicht über seinen Nacken. „Kael.“ Ihre Stimme zittert. Er erstarrt.

Er dreht sich – plötzlich, nah – und ihre Blicke treffen sich. Sein Kiefer arbeitet, Wut überlagert von verzweifelter Sehnsucht, und für einen Moment rührt sich keiner von beiden. Dann greift sie nach den Knöpfen seines Hemdes, die Hände zittern, und er fängt ihre Handgelenke – Zögern, Verlangen. Sie drängt vor, entkommt ihm. Ihr Mund findet seinen, wild und bedürftig, die Finger verfangen sich in seinem Haar, Brust an Brust. Er erwidert mit gleicher Kraft, die Lippen blutig, die Hände packen ihre Hüften so fest, dass es weh tut. Die Luft zwischen ihnen ist heiß, verzweifelt, als sie rückwärts auf Säcke aus Jute stolpern, der Blumenstand geschlossen, nur ein schmaler Lichtstreifen von der Straße fällt herein.

Sie zieht ihn langsam aus, ehrfürchtig, der Mund verehrt die lange Narbe an seinen Rippen. Er haucht ihren Namen, vergräbt sein Gesicht in ihrem Nacken, lässt sich verletzlich sein, wenn auch nur für diesen flüchtigen Moment. Sie klammert sich an ihn, die Nägel graben sich in seinen Rücken, und als er endlich nachgibt, ist es mit einem kehligem Schrei, ihre Körper verheddert und atemlos, Schweiß mischt sich mit dem Duft von Pfingstrosen und Erde.

Danach fährt sie mit den Fingern über seine Narben, tränenverschmiert, flüstert: „Ich will dich nicht auch noch verlieren.“ Er umfasst ihre Wange, unsicher, aber zärtlich. Schweigen legt sich – ein Versprechen, eine Frage, ein Schmerz.

Auf der anderen Seite des Marktes hält Myka ihr Handy fest, das Herz rast. Die Überwachungsvideos sind körnig, aber unverkennbar: Irisas Silhouette, eingefroren in der Gasse in der Nacht, als Kaels Bruder verschwand. Sie schluckt – und wählt.

Fortsetzung folgt…

Ernte der Herzen: Der zerbrochene Obstgarten

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Ernte der Herzen: Fesselnde emotionale Liebesromanreihe