Kapitel 5
Yulians Spiegelbild zittert im schwarzen Marmor des Waschbeckens der Herrentoilette; Schweißperlen stehen ihm trotz der eisigen Luft auf der Stirn, dunkle Locken kleben feucht an seiner Stirn. Sein Kiefer ist so fest zusammengebissen, dass es schmerzt. Von hinten schwingt die Tür auf – Laerise, heute Abend in einem scharf geschnittenen, smaragdgrünen Anzug, die Lippen giftrot geschminkt, ihr Schritt voller geballter Wut. Die Spannung zwischen ihnen ist so elektrisch, dass sie Glas zerbrechen könnte. Einen Moment lang schweigen sie; ihre Blicke verhaken sich, ein stummer Kampf aus Vorwurf und Verlangen.
„Du wolltest, dass alle sehen, wie du gewinnst“, zischt Laerise, ihre Stimme leise, doch zitternd, Wut und etwas Sanfteres flackern in ihren Augen.
„Und du wolltest, dass ich scheitere“, wirft er zurück, die Worte beißend, weil es leichter ist, als zuzugeben, dass er verletzt ist. Seine Hände schweben über dem Wasserhahn, ringlos, elegante Finger zittern, während er versucht, sich zu fangen.
Sie knallt ihre Hand neben seine, so nah, dass sich ihre Knöchel berühren. Die Berührung ist zufällig, doch keiner zieht sich zurück. Ihre Nägel sind schwarz lackiert und graben winzige Halbmonde in den kalten Stein.
„Weißt du eigentlich, was du losgetreten hast?“ zischt sie, der Atem heiß an seiner Wange. „Da gibt es ein Leck, Yulian. Einer von uns wird fallen.“
Er sucht ihr Gesicht ab, sucht nach Gnade und findet nur Ehrgeiz, geschärft von Angst. Für einen Moment ist er der Junge, der verzweifelt nach Anerkennung sucht, voller Wunden und Verlangen. Ihre Wut verwandelt sich in etwas Hungerndes, als sie den Abstand zwischen ihnen schließt. Ihre Faust greift nach seiner Krawatte, reißt ihn zu sich, sodass ihre Münder aufeinandertreffen – chaotisch, verzweifelt, schmerzhaft. Hände tasten umher, als wollten sie das letzte sichere Terrain erkunden.
Später steigt Laerise die Treppen zum Executive Floor hinauf – ihr Haar zerzaust, der Blazer schief, ein Lippenstiftfleck an ihrem Kiefer – wo Sciro im Schatten wartet, lässig gegen das Glas gelehnt, silberne Manschettenknöpfe glänzen. Seine dunklen Augen verweilen auf der Linie ihres freigelegten Halses, auf dem unregelmäßigen Rhythmus ihres Atems.
„Dir folgt das Unglück, oder?“ murmelt er, die Stimme samtweich, den Kopf leicht geneigt. Sie will hassen, wie ihr Puls auf ihn reagiert.
„Vielleicht suche ich einfach jemanden, der stark genug ist, mitzuhalten“, kontert sie. Er grinst, wolfsähnlich, und mit einer schnellen Bewegung findet seine Hand den Nacken, zieht sie in einen Kuss, der nach Whiskey, Bitterkeit und Verlangen schmeckt. Ihre Körper prallen zusammen, dringend und unsicher. Finger zupfen an Knöpfen, Hüften suchen Reibung – ein wütendes, eifersüchtiges Anspruchnehmen, das nichts mit Zärtlichkeit zu tun hat.
Stunden später sitzt Laerise am Rand von Sciros Bett, die Haut nackt, die Augen hohl vor Erschöpfung und Reue. Mit zitternden Händen zündet sie sich eine Zigarette an. Sciro zeichnet gedankenlos Kreise auf ihren Oberschenkel, doch sein Blick ist woanders – auf sein klingelndes Handy, der Name „Belise“ blinkt eindringlich, eine Erinnerung daran, dass hier nichts sicher ist.
In einer schummrigen Ecke des Büros steht Belise in einem mitternachtsblauen Kleid, die Haltung entspannt, der Blick undurchschaubar, während sie auf Laerise wartet. Als Laerise schließlich erscheint, mit verschmiertem Mascara, hastig zugeknöpfter Bluse, hält Belise einen USB-Stick hin und lächelt – langsam, gefährlich.
„Ich weiß von den Schulden“, sagt sie leise und schiebt den Stick in Laerises Handfläche. „Und von Yulian. Du wirst genau das tun, was ich sage.“
Laerises Fassung bricht zum ersten Mal an diesem Abend; sie blinzelt heftig, kämpft gegen Tränen, die Knöchel weiß um den Stick, während Belise an ihr vorbeigeht. „Tun wir nicht so, als wärst du die Einzige mit Geheimnissen“, flüstert Laerise.
Unterdessen läuft Yulian in seiner winzigen Wohnung auf und ab. Die Nachricht vom Leck hat sich unternehmensweit verbreitet. Sein Handy vibriert vor Anschuldigungen; seine Hände zittern, während er sie liest, Selbsthass brennt heiß unter seiner Haut. Immer wieder spielt er Erinnerungen an Laerise ab – ihre Lippen, ihr Lachen, der Schmerz ihres Verrats, als sie zu Sciro ging. Der Schmerz ist körperlich.
Als Yulian sieht, wie ein Gruppenchat mit seinem Namen aufleuchtet, blendet ihn Wut. Er stürmt ins Büro, der Kiefer hart, die Augen wild, stellt Sciro vor verblüfften Kollegen zur Rede. „Du selbstgefälliger Mistkerl. Warst du’s?“ schreit er, die Brust hebt sich heftig, die Fäuste geballt. Sciro schenkt ihm nur ein schiefes Grinsen, wischt unsichtbaren Staub von der Manschette und lässt sich nicht provozieren. „Pass auf, Yulian“, sagt er, die Stimme eine ruhige Drohung. „Du bist nicht der Einzige, der etwas zu verlieren hat.“
Laerise, still in der Tür, beobachtet das Spektakel. Zum ersten Mal seit Jahren fühlt sie sich völlig allein – von Yulian gehasst, von Sciro benutzt, von Belise besessen. Trotz und Trauer verzerren ihr Gesicht, bevor sie unbemerkt davon schleicht, die Absätze hallen den Flur entlang.
Als sie in die Tiefgarage tritt, prasselt Regen auf ihre nackten Arme. Auf der Windschutzscheibe liegt ein schwarzer Umschlag, schwer vor Angst. Ihr Name darauf gekritzelt – darin eine einzige getippte Notiz: „Du bist die Nächste.“
Fortsetzung folgt...