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Kapitel 3

Belise gleitet ins Büro, ihre Absätze klicken leise auf dem Betonboden, ein Schatten aus polierter Ruhe im morgendlichen Chaos von HalcyonGen. Ihr Haar ist zu einem eleganten Knoten gesteckt, eine einzelne Locke fällt locker an ihren Kiefer; ihr Anzug ist blutrot, scharf geschnitten an den Schultern, unvergesslich. Sie bleibt neben Laerises Schreibtisch stehen, beugt sich mit gekonnter Lässigkeit vor, ihr Parfum dezent und teuer, ihr Lächeln eng mit Mitgefühl – ein Lächeln, das nie ganz bis zu den Augen reicht.

Laerise hebt kaum den Blick, dunkle Ringe verwischen unter makellosem Make-up, die Lippen zu einer harten Linie gepresst. Sie ist über eine ungelesene E-Mail gebeugt, die Knöchel weiß vor Anspannung am Tablet. Das ganze Büro spürt ihre Unruhe, die Nachbeben des gestrigen Zusammenpralls mit Yulian schwingen in jeder ihrer Bewegungen mit – ein zu lauter Seufzer, ein Zucken im Kiefer, die Art, wie sie den Blicken aller ausweicht. Als Belise murmelt: „War eine harte Nacht?“, ist das weniger eine Frage als eine sanfte Herausforderung.

Laerise schluckt, wirft ihr Haar über eine Schulter, die Wirbelsäule steif vor Stolz. „Du hast es gehört?“ Ihre Stimme klingt luftleer, knapp, als wolle sie vorgaukeln, es nicht zu interessieren.

Belise zuckt mit den Schultern, ihre Augen wandern träge über Laerises Hals, zeichnen den schwachen blauen Fleck am Schlüsselbein nach – kaum sichtbar unter der Bluse. „Die Leute reden. Ich höre nicht auf das meiste.“ Ihr Blick verweilt eine Sekunde zu lang, ein kaum wahrnehmbarer Hauch von Besitzanspruch – oder etwas Schärferes – flackert hinter ihrer Ruhe auf. „Manche Geheimnisse sind es wert, beschützt zu werden.“

Laerises Maske wankt, überrascht öffnen sich ihre Lippen. Ihre Finger streifen sich, als Belise ihr einen Ordner reicht, Hitze flammt zwischen ihnen auf – elektrisch, verboten, verflogen im nächsten Moment. Laerises Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. „Warum hilfst du mir?“ Doch Belise geht schon weg, ihre Haltung gelassen und undurchschaubar, das Klicken ihrer Absätze die einzige Antwort.

Am anderen Ende des offenen Büros lehnt Yulian an seinem Schreibtisch, Kiefer angespannt, Hände unruhig, Haare fallen in stürmische Augen. Für einen kurzen Moment trifft sein Blick Laerises – etwas Verletztes und Wütendes darin. Dann steht er plötzlich auf und geht auf sie zu, das Hemd zerknittert, die Krawatte schief, die Haut blass unter dem Stoppelbart. Jede Bewegung ist von Zorn geladen, doch seine Stimme klingt täuschend sanft. „War die letzte Nacht für dich nur ein Spiel?“ Der Riss in seiner Fassade zeigt sich am Rand seines Mundes.

Laerise blickt sich um, die Wangen glühen, als alle Aufmerksamkeit auf sie fällt. Sie richtet sich auf, ein spöttisches Lächeln umspielt ihre Lippen, doch in den Augen verrät sich der Schmerz. „Du glaubst, ich würde alles riskieren für ein Spiel? Wach auf, Yulian.“ Auf das letzte Wort zittert ihre Stimme.

Er lacht, bitter und zu laut, die Hände in den Taschen vergraben, als wolle er sich zusammenhalten. „Du hast versucht, mich zu zerstören, und ich hab’s zugelassen. Glückwunsch.“ Seine Augen sind glasig, gequält. Für einen Moment vibriert die Luft zwischen ihnen vor unausgesprochenen Worten. Dann dreht er sich um, die Schultern sinken, er zieht sich in schweigsamen Trotz zurück.

Währenddessen beobachtet Sciro das Geschehen aus der Ferne, ein geheimnisvolles Lächeln spielt um seine Lippen, die Augen scharf hinter seinem mühelosen Grinsen. Er geht dicht an Yulian vorbei, senkt die Stimme. „Geheimnisse verbreiten sich hier wie von selbst“, schnurrt er, seine Finger streifen kurz Yulians Ärmel und hinterlassen eine kühle Spur. „Pass auf, wem du vertraust.“

Belise bewegt sich unbemerkt durchs Büro, den Laptop unter dem Arm, ihr Gesicht eine Maske geübter Gelassenheit. Doch später, im Schweigen eines leeren, verglasten Büros, sitzt sie im Dunkeln, einzig das Licht ihres Bildschirms erhellt den Raum. Sie zieht einen USB-Stick aus der Tasche und lädt körniges Filmmaterial – der Parkplatz, Körper eng aneinander gepresst, Verzweiflung, Wut und Verlangen ineinander verstrickt im Schatten.

Ihre Hände sind ruhig, als sie den Stick mit „Versicherung“ beschriftet und in ihre Tasche steckt. Ihr Atem stockt, das Herz rast – nicht vor Schuld, sondern vor Aufregung.

Ein letzter Blick auf die Liste, die sie verborgen hält, jeder Name verbunden mit einem Geheimnis, das Blut wert ist. Yulian. Laerise. Sciro. Alle verstrickt, alle verletzlich. Für einen Moment trifft ihr Spiegelbild im Glas ihren Blick, die Augen funkeln gefährlich und hungrig.

Dann klingelt das Bürotelefon schrill und dringlich, eine Stimme knistert aus dem Lautsprecher: „Wir wissen, was du tust. Wir beobachten dich.“

Belise erstarrt, jeder Muskel angespannt. Zum ersten Mal fragt sie sich – hat sie ihre Gegner unterschätzt?

Fortsetzung folgt…

Gravitationsbruchlinien

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Gravitationsbruchlinien: Fesselnde romantische Dramaserie