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Kapitel 2

Yulian kommt zu spät, drängt sich durch die Glastüren, die Haare zerzaust, die Krawatte schon locker, und unter seinem sorgfältig neutralen Gesichtsausdruck brodelt trotz allem Trotz. Sein Blick schweift über den Tisch – alle sitzen da wie Schachfiguren, doch sein Auge bleibt zuerst an Laerise hängen. Ihr schwarzer Anzug ist schärfer als ihr Blick, die Lippen in einem gefährlich amüsierten Rot geschminkt. Sie blinzelt nicht, als er sich ihr gegenüber setzt, hebt nur eine Augenbraue und fordert ihn stumm heraus, die Macht zurückzuerobern, die er sich an diesem Morgen so leichtfertig im Sitzungssaal genommen hatte.

Er presst die Kiefer zusammen, wagt kein Wort. Als Sciro eintritt, verändert sich die Atmosphäre kaum merklich – ein Flimmern der Aufmerksamkeit, wie das Knistern vor einem Gewitter. Sciros Lächeln wirkt locker, einstudiert, sein blaues Hemd signalisiert Entspannung, doch seine Augen sind gnadenlos wachsam, wandern zwischen Laerise und Yulian hin und her, während er sich auf den Stuhl zwischen ihnen fallen lässt. „Ich hoffe, ich störe nicht“, murmelt er und lässt beiläufig seine Fingerspitzen Yulians Ärmel streifen – eine kurze, kalkulierte Berührung, doch Yulians Puls schnellt hoch, sein Gesicht verrät nichts außer dem Verkrampfen seiner Fäuste unter dem Tisch.

Laerise dreht ihr Weinglas zwischen den Handflächen, das Kinn leicht erhoben, ihr Grinsen wird breiter. „Keineswegs. Wir haben gerade darüber gesprochen, dass Wunder nur passieren, wenn manche Leute wissen, wann sie den Mund halten müssen.“ Die Worte zielen auf Yulian, doch Sciro lacht nur, beugt sich vor, sodass sein Atem ihr Haar am Ohr bewegt. „Wenn Wunder nur Überstunden zahlen würden“, flüstert er, die Stimme nur für sie bestimmt. Laerises Lächeln flackert kurz unsicher, dann nimmt sie einen langen Schluck, als wolle sie beide herausfordern, ihr etwas zu bedeuten.

Das Gespräch verschwimmt – ein Schlagabtausch aus Komplimenten, die wie Dolche schneiden, Lachen, das zu nah geht. Sciros Hand ruht am Ellbogen von Yulian, sein Daumen zeichnet einen Kreis über den Stoff. Yulians Haut brennt, ein innerer Kampf tobt in seinem Kopf: kämpfen, fliehen oder sich jetzt nehmen, was er will. Auf der anderen Seite des Tisches haftet Laerises Blick auf Sciros Berührung, ihre Eifersucht nur hinter einem zu lauten, verzweifelt kontrollierten Lachen versteckt.

Später, unter grellem Neonlicht im Tiefgaragenparkhaus, findet Yulian Laerise an eine Säule gelehnt, das Handy wie ein Schild umklammert. Er bringt kaum ein „Was zum Teufel war das—“ heraus, bevor sie ihn am offenen Krawattenknoten packt und mit forderndem Mund auf ihn zustürzt. Seine Hände schlagen auf den Beton neben ihrem Kopf, fangen sie ein, Verlangen und Wut verheddern sich in jeder hastigen Bewegung. Ihre Nägel ritzen Halbmonde in seinen Rücken. Sie sind ein Chaos aus Beißen, Keuchen, einem Kampf um Dominanz, als könnte Schmerz die Rechnung begleichen.

Er erzittert, als sie seine Lippe beißt und ihm einen tiefen, rohen Stöhnen entlockt. „Du glaubst, du kannst mich benutzen?“ knurrt er. „Pass auf, wie ich’s mache“, faucht sie, die Stimme zittert, gleichermaßen Triumph und Angst. Sie krachen erneut zusammen, verschwitzt und keuchend, jede Berührung ein Wagnis. Für einen Moment existiert nichts außer der brennenden Hitze zwischen ihnen – bis der Orgasmus Yulian zerstört zurücklässt, klammernd an ihr, als könnte er ertrinken.

Doch während die Nachbeben durch ihn fahren, übernimmt die Scham. Er zieht sich zurück, die Schultern starr, fährt sich mit den Händen durch die Haare. „Das hat nie stattgefunden“, zischt er, die Stimme brüchig, vermeidet ihren Blick. Laerise richtet ihr Kleid, wischt mit zitternder Hand den verschmierten Lippenstift weg. Ihre Fassung bricht für einen Moment – Verletzlichkeit flackert auf, dann wird sie gnadenlos vergraben.

Aus den Schatten tritt Sciros Silhouette hervor – nur ein kurzer Blitz – und das sanfte rote Leuchten eines Handybildschirms zeichnet das Geräusch ihrer hastigen Atemzüge auf, die geflüsterten Drohungen, die Schreie von Lust und Schmerz. Ein langsames, zufriedenes Lächeln breitet sich auf seinen Lippen aus, während er sich zurückzieht, die Aufnahme gesichert, die Macht in der Hand.

Fortsetzung folgt...

Gravitationsbruchlinien

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