Kapitel 3
Kaidens Wangen glühen rot – halb vor Kälte, halb vor Nervosität –, während er sich durch den engen Schlund der Höhle tastet. Der Strahl seiner Stirnlampe zuckt wild hin und her, Schatten flackern über den glatten Fels, während Ziras Stimme scharf und ungeduldig zurückhallt. „Bleib dran, Kaiden! Wenn du ausrutschst, zieh ich dich nicht raus.“
Sie geht vor ihm, sicher und geschmeidig, ihr kastanienrotes Haar zu einem unordentlichen Knoten gebunden, aus dem trotzdem noch Flammen um ihr kantiges Kinn lodern. Die isolierte Jacke schmiegt sich an ihre schlanke Gestalt, die Arbeitshose ist mit Eispuder bestäubt. Als sie zurückblickt, sind ihre Lippen fest zusammengepresst, doch in ihren Augen liegt etwas Rohes – ein Funken Sorge, den sie hinter Sarkasmus verbirgt. Kaiden zwingt sich zu einem Grinsen, versucht ihre Fassade zu spiegeln, doch sein Herz hämmert vor Panik, die er nicht zeigen will. Er streckt die Hand aus, stützt sich an der Wand ab, ihre Finger berühren sich für einen kurzen Moment – ihre Haut ist kalt, seine Berührung verweilt zu lange.
Draußen tobt der Schneesturm, heult durch die zerklüfteten Risse im Stein. Kaiden fröstelt und versucht, nicht daran zu denken, was passiert, wenn sie es nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurückschaffen. Er fängt Ziras Profil ein – stark, schön, die Lippen angespannt vor Anspannung – und etwas in ihm schmerzt. „Du lässt mich nie aufgeben, oder?“ murmelt er, halb Scherz, halb Geständnis.
Sie schnaubt, doch ihre Schultern entspannen sich. „Du würdest dasselbe für mich tun.“ Ihre Blicke verhaken sich – er sieht die Erschöpfung tief in ihren Augen, die Geheimnisse, die sie wie eine Rüstung trägt, die knapp unter der Oberfläche schimmern. Als er sich erschöpft gegen den Fels lehnt, hockt sie sich neben ihn, ihre Stimme wird sanfter. „Kaiden, was ist wirklich los?“
Einen Moment lang kann er nicht antworten, Scham schnürt ihm die Kehle zu. Er zuckt mit den Schultern und starrt auf seine Stiefel. „Ich vermassle es immer wieder. Verletze Leute. Ich wollte nie—“ Sein Atem stockt. Ziras Hand legt sich auf seine Schulter, ihre Finger zittern kaum merklich. Sie beugt sich vor, Unsicherheit flackert über ihr Gesicht. So nah ist ihr Atem warm, die Stirn von Mitgefühl und etwas wie Verlangen gerunzelt.
Er dreht sich zu ihr, und plötzlich treffen sich ihre Lippen – dringend, verzweifelt. Ihre Handschuhe fallen ab, sie presst die Hände rau und ungestüm an sein Gesicht. Sie kämpft mit dem Reißverschluss ihrer Jacke, der Atem scharf und unregelmäßig. „Ich kann nicht—aufhören,“ flüstert sie, die Stimme bricht. Kaidens Hände gleiten unter ihr Shirt, die Handflächen zittern, während er die Konturen ihres Rückens und ihrer Rippen erkundet, die Kälte ihrer Haut spürt, das Feuer, das zwischen ihnen lodert.
Für einen schwebenden Herzschlag existiert nichts anderes: ihre Brust, die sich unter seinen Händen hebt, ihre Zähne, die seine Schulter streifen, die kalte Höhlenwand, die sie beide beißt, während Glieder sich verheddern und der Puls rast. Zira zieht ihn näher, bis ihre Stirnen sich berühren, die Lippen kaum geöffnet, die Augen brennen offen und ehrlich. „Ich habe dich gedeckt,“ haucht sie, lässt die Wahrheit zwischen den Küssen entgleiten. „Der Unfall – das warst du. Aber ich hab allen gesagt, ich war’s.“
Kaiden blinzelt, überwältigt. Schuld und Dankbarkeit fluten sein Gesicht – er kann nicht sprechen, zieht sie nur fester an sich, lässt seinen Mund über ihren Kiefer gleiten, als Entschuldigung und Flehen.
Draußen wird der Sturm dichter.
Woanders stürmt Lirae durch das wirbelnde Weiß, ihre Stiefel knirschen über halb verborgene Fußspuren. Schnee klebt an ihren dunklen Wimpern, wilde Haarsträhnen wehen aus der Mütze. Ihr Kiefer spannt sich, während sie den Schneesturm nach Kaiden – oder Zira – absucht. Frustration knistert unter ihrer Haut, nur übertroffen vom stechenden Schmerz der Eifersucht. Fast übersieht sie die Gestalt in ihrem Blickwinkel: Maelis, Mantel bis zum Kinn zugeknöpft, die Arme verschränkt, der Blick gesenkt, aber direkt.
Lirae bremst, die Brust hebt sich schwer. „Hast du gesehen, wohin sie gegangen sind?“ Ihre Stimme klingt brüchig – herausfordernd.
Maelis nickt, die Augen heben sich – grau, undurchschaubar. „Zusammen. Sie wirkten… vertraut.“ Die Pause ist geladen. Lirae sträubt sich, ein heißer Flush steigt ihr ins Gesicht.
„Na klar,“ murmelt sie, die Stimme bricht. Maelis beobachtet sie, etwas mildert sich in ihrem hartgestrickten Mund, bevor sie sich umdreht und im Weiß verschwindet. Allein ballt Lirae ein Stück Stoff, das sie gefunden hat – Ziras Schal, zurückgelassen. Sie starrt darauf, Sturm und Zorn wirbeln in ihren Augen.
„Wenn sie mit dem Feuer spielen wollen,“ flüstert sie in den Wind, die Knöchel weiß vor Anspannung, „dann zeig ich ihnen, wie man brennt.“
Fortsetzung folgt…