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Kapitel 2

Kaiden lehnt mit verschränkten Armen an der beschlagenen Fensterscheibe der Hauptlounge von Heartline. Sein braunes Haar ist noch zerzaust vom Schlaf, die Lippen leicht geöffnet, während er versucht, nicht in Liraes Richtung zu schauen. Sie sitzt lässig auf einem Hocker am Rand der Bar, die Stiefel hochgelegt, die Finger um eine abgenutzte Tasse gekrallt. Ihr dunkles Haar fällt über einen eisblauen, grob gestrickten Pullover, jede Linie ihrer Haltung fordert geradezu heraus. Sie beobachtet ihn unter langen Wimpern – ein spitzbübisches Funkeln in ihren Augen, das sofort in ein schiefes Grinsen übergeht, als sie ihn beim Schielen erwischt.

Er schaut zuerst weg, der Kiefer angespannt.

Lirae springt vom Hocker, geht mit selbstbewussten, zielstrebigen Schritten durch den Raum. Sie bleibt wenige Zentimeter vor Kaiden stehen, so nah, dass er ihren scharfen Zitrusduft wahrnimmt. „Morgen, Direktor“, neckt sie mit rauer, tiefer Stimme. Ihre Finger streifen über das Klemmbrett in seiner Hand, verweilen einen Moment zu lang an seinem Handgelenk.

„Zählst du immer noch mit, Synn?“ Kaidens Antwort ist ein halb gemurmeltes Wort, seine Hand umklammert das Klemmbrett fester, um das Zittern seiner Finger zu verbergen. Er versucht, locker zu wirken, doch die Hitze in seinem Blick verrät ihn.

Sie beugt sich vor, die Lippen nah an seinem Ohr. „Wünsch dir’s.“ Dann tritt sie zurück, die Augen blitzend vor Herausforderung, und wirft über die Schulter: „Lagerfeuer-Vorbereitung um sieben. Versuch, mitzuhalten.“ Bevor er antworten kann, ist sie schon weg, lässt ihn mit geröteten Wangen und rasendem Herz zurück.

Später findet Kaiden sie draußen, wie sie unter dem grellen Scheinwerferlicht Holz stapelt. Lirae sprüht vor roher Energie – eng anliegende Thermoleggings, rot angelaufene Wangen, das Haar wirr unter einer Mütze versteckt. Ihre Bewegungen sind schnell, fast ungestüm, fast unantastbar. Kaiden versucht, seine Nervosität mit einem Grinsen zu überspielen. „Hoffentlich hast du nicht vor, hier alles abzufackeln.“

Sie schweigt. Stattdessen wirft sie ein Stück Holz zu seinen Füßen, die Augen funkelnd. „Wette, du kannst nach Mitternacht nicht mehr mithalten.“ In ihrer Haltung liegt eine Herausforderung – das Kinn hoch, die Arme verschränkt, ein schelmisches Lächeln auf den Lippen.

Irgendetwas in ihm will nein sagen, weggehen, doch stattdessen hält er ihren Blick stand. „Ich wette gegen dich“, murmelt er. „Aber du musst mich erst einholen.“

Die Nacht verschlingt die Welt in blauen Schatten und beißendem Wind. Lirae ist ein dunkler Schatten, der zwischen den Bäumen huscht, Kaiden jagt ihrem Lachen durch Schneeverwehungen nach, ihr Atem formt silberne Geister in der Luft. Sein Herz schlägt wild und neu – Angst, Hoffnung, Verlangen, alles eng verwoben. Als er sie endlich am Seeufer erwischt, wirbelt sie herum, atemlos, die Wangen glühend, die Augen voller schelmischer Freude.

Kaiden hat kaum Zeit, Luft zu holen, da drückt sie ihn gegen eine frostbedeckte Birke. Ihre Handflächen ruhen auf seiner Brust, spüren den Herzschlag unter ihren Händen. So nah, dass er ihren Atem auf den Lippen fühlt. „Du hast verloren“, flüstert sie, ein Lächeln umspielt ihren Mund, und plötzlich küsst sie ihn – hungrig, wild, schmeckt nach Winter, Salz und etwas Zartem.

Seine Hände verfangen sich in ihrem Haar, verzweifelt, sie festzuhalten, doch sie zieht sich als Erste zurück, die Lippen streifen seinen Kiefer. Ihre Hand gleitet kühn seinen Rücken hinab, verweilt, dann zieht sie sich zurück und sieht ihn an mit einem Blick, der zugleich herausfordernd und verletzlich ist. „Sieh nicht so überrascht aus“, murmelt sie, die Finger gleiten seinen Arm hinab, während sie sich abwendet, ihr Lachen klingt sanft durch die Bäume.

Woanders sitzt Zira im Schneidersitz auf ihrer Pritsche in der stillen Sanitätskabine, das blonde Haar offen, die schattigen Augen spiegeln den Bildschirm ihres Handys. Sie hält es nah, der Daumen zögert über dem Aufnahmebutton. Im Schweigen zwischen den Herzschlägen flüstert sie ins Mikrofon, die Stimme roh, fast am Zerbrechen: „Ich kann nicht mehr so tun, als ginge es nur um Kaiden. Ich sehe sie – Lirae – und ich… Gott, ich wünschte, alles wäre anders. Ich wünschte, ich könnte die Wahrheit sagen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alles auseinanderbricht.“

Im anderen Flügel des Lodges stellt Maelis das letzte Weinglas ab, die Hände ruhig, doch die Knöchel weiß vor Anspannung. Ihre Kochjacke ist makellos, das dunkle Haar streng geflochten. Sie bleibt an der Tür stehen, als Kaiden und Zira vorbeigehen, beobachtet, wie sich ihre Körper fast unmerklich zueinander neigen – wie Ziras Lachen zu brüchig klingt, wie Kaidens Lächeln eine Maske ist, die kaum hält. Maelis’ Blick folgt Zira, ihre eigenen Gefühle hinter einer undurchdringlichen Miene verborgen.

Draußen steht Kaiden allein, der Wind zerzaust sein Haar, die Fingerspitzen noch prickelnd von Liraes Berührung. Er sieht zu, wie ihre Silhouette im Schnee verschwindet, und fragt sich, wie viel er noch ertragen kann – wie lange es dauert, bis alles zwischen ihnen explodiert.

In der Sanitätskabine starrt Zira auf ihr Handy, nach vorn gebeugt, die Stimme leise und zitternd bei einer zweiten Aufnahme: „Alles verändert sich. Ich habe Angst davor, wie sehr ich sie beide will. Und noch mehr Angst davor, was ich tun werde, wenn ich sie verliere.“

Fortsetzung folgt...

Brüche der Herzenslinie

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Brüche der Herzenslinie: Fesselndes Liebesdrama