Kapitel 3
Thalen stürmt förmlich in das Büro mit den Glaswänden, die Haare zerzaust, das marineblaue Hemd halbherzig in die Hose gesteckt, die Krawatte schief – als würde sie jeden herausfordern, ihn zu richten. Er schenkt Cael ein schiefes Lächeln und klopft mit den Knöcheln gegen die offene Tür, doch Cael hebt nur kurz den Blick von seinem Laptop, die Kiefermuskeln angespannt hinter der Brille, wie immer undurchschaubar. Sirae lehnt am Fenster, die Arme verschränkt, ihr Nadelstreifen-Blazer sitzt perfekt, das Gesicht regungslos – bis auf den kaum wahrnehmbaren Schatten von Ärger in ihren Augen, der heute von etwas anderem durchzogen ist.
Liseva schlendert mit gemessener, katzenhafter Eleganz in den Großraumbürobereich – ihr schwarzes Kleid schlicht, aber makellos, die Lippen zu einem schiefen, wissenden Lächeln verzogen. Sie hebt den Blick von ihrem Handy, trifft Thalens Augen und hält den Blick eine Sekunde zu lang. „Hey“, sagt sie, kühl und zugleich strahlend, „du bist der Assistent, oder?“ Thalens Wangen färben sich rosa. „Executive Assistant“, korrigiert er hastig, zu eifrig, wippt von einem Fuß auf den anderen. Sie tritt näher, streicht sich eine Haarsträhne hinter das Ohr – eine fast herausfordernde Geste. „Executive. Klingt wichtig.“ Thalen lacht zu laut, fast dankbar, dass ihn jemand sieht – auch wenn es durch einen Schleier aus Nervosität und fehlgeleitetem Selbstbewusstsein ist.
Cael beobachtet Thalen und Liseva hinter seinem Bildschirm, die Augen verengt, ein unangenehmes Gefühl steigt in ihm auf, das er nicht greifen kann – und nicht nur, weil Sirae ihn den ganzen Morgen über beobachtet hat, ihren Blick über ihn gleiten lässt, wenn sie denkt, er merkt es nicht. Sie ist heute unmöglich, ihre Haltung messerscharf, jedes Wort kurz angebunden, als würde sie ihn herausfordern, ihre kühle Fassade zu durchbrechen. Er will es, verdammt, er will es. Aber heute ist kein Tag für Verletzlichkeit. Ihre vorgetäuschte Romanze ist Gesprächsthema in den Fluren, und Caels Brust zieht sich jedes Mal zusammen, wenn er Sirae im Gang begegnet – besonders nach dem Vorfall im Aufzug. Er versucht sich zu konzentrieren, doch seine Gedanken kehren immer wieder zu dem Gefühl ihrer Lippen auf seinen zurück, zu ihrer Hand, die sein Hemd festhielt, als niemand sonst hinsah.
Zur Mittagszeit sind sie wieder allein. Sirae sitzt auf der niedrigen Balkonmauer, die Beine übereinandergeschlagen, die Bluse am Kragen leicht geöffnet, ihre Fassung kämpft gegen die angespannte Falte zwischen ihren Brauen. Cael steht neben ihr, den Blick irgendwo über ihre Schulter gerichtet, die Hände tief in den Taschen vergraben. Er atmet langsam aus. „Hast du jemals gewünscht, es wäre echt?“ fragt er rau. Sie sieht ihn an, ihr Gesicht bleibt undurchschaubar. „Echt ist gefährlich“, sagt sie, doch in ihrer Stimme schwingt ein Zittern mit, ein Funken Sehnsucht, den sie nicht verleugnen kann. Caels Kiefer spannt sich. „Vielleicht ist das ja der Sinn dahinter.“
Für einen Moment schweigen sie beide. Er beobachtet die zarte Bewegung ihres Halses beim Schlucken, zwingt sich, nicht nach ihr zu greifen. Dann dreht sich Sirae plötzlich zu ihm um, ihre Abwehr bröckelt. „Ich habe es satt, so zu tun“, flüstert sie, viel zu leise für alle außer ihn. Er tritt näher. Der Lärm der Stadt verblasst. Sie ergreift sein Handgelenk, fest und dringlich, ihre Fingernägel drücken leicht in seine Haut – mehr Erlaubnis braucht er nicht.
In der düsteren Tiefgarage liegt die Luft schwer und geheimnisvoll, beleuchtet vom Puls ihrer gemeinsamen Unvernunft. Sirae lehnt an der Betonwand, der Atem stockt, als Cael sich an sie presst. Er küsst sie hart, verzweifelt, die Fassade fällt. Ihre Hände krallen sich in sein Hemd, ziehen ihn näher, und er hebt sie hoch, klemmt ihre Hüften zwischen sich und den Beton, alle Vorsicht vergessen. Ihre Finger gleiten unter seinen Kragen, über seine Brust; mit jeder hastigen Berührung steigt die Hitze. Sie keucht, wirft den Kopf zurück, wölbt sich gegen ihn, während seine Hände unter ihren Rock gleiten, zitternd vor Verlangen. Alle Geheimnisse, alle Mauern zwischen ihnen lösen sich im Schatten auf.
Sie zieht an seinem Haar, ihre Lippen pressen sich auf seine, und sie verlieren sich – Hitze, Haut, Verlangen, der rohe Puls der Empfindung übermannt die Vernunft. Dringliche Flüstertöne, leises Stöhnen, Hände, die dort wandern, wo sie nicht sollten. Seine Stimme bricht an ihrem Ohr: „Sag mir, dass du das willst“ – und sie antwortet mit einem verzweifelten Kuss, ihr Körper spricht, wo Worte versagen. Gemeinsam zerbrechen sie, atemlos und entblößt, die Spannung endlich gelöst. Für einen Moment gibt es nur sie.
Dann flackern Scheinwerfer über die Wand, ein Motor heult in der Nähe auf. Cael erstarrt, das Herz hämmert. Sirae spannt sich an, die Augen weit, als die Erkenntnis einschlägt: Sie sind nicht allein. Jemand hat sie gesehen – oder schlimmer noch, könnte es.
Sie lösen sich voneinander, zittrig und still, die Herzen schlagen lauter als das Echo der Garage. Als sie zum Aufzug zurückschleichen, bleibt ein Schatten hinter einer Säule in der Nähe zurück – beobachtend, wartend.
Fortsetzung folgt...