Kapitel 2
Cael stand am bodentiefen Fenster, die Schultern steif in seinem maßgeschneiderten marineblauen Anzug, und beobachtete, wie der Puls der Stadt im Glas flackerte. Sein Spiegelbild wirkte im Dämmerlicht fast verletzlich – einzelne Locken fielen ihm auf die Stirn, die Lippen fest aufeinandergepresst, als wollte er all die Worte zurückhalten, die er nie ausgesprochen hatte. Sirae glitt neben ihn, ihr schiefergraues Kleid schmiegte sich an ihre Hüften, die Absätze klackten – ein bisschen zu scharf, ein bisschen zu selbstsicher. Sie fing seinen Blick mit geübter Gleichgültigkeit, doch ein feines Zittern in ihrem Kiefer verriet die Spannung, die unter der Fassade brodelte.
„Du hast Lippenstift an der Hand“, murmelte sie, die Stimme flach. Cael blickte hinunter, wischte den Fleck weg und merkte dann, dass es eine nervöse Angewohnheit war, die er sich seit Beginn dieses Schauspiels angewöhnt hatte. Er versuchte ein schiefes Lächeln. „Berufsrisiko.“ Sirae lachte nicht, doch die Mundwinkel zuckten leicht. Ihre Haltung war makellos – Schultern zurück, Kinn hoch –, doch ihr Griff um die Clutch verriet ihre Nerven.
Das Abendessen war ein Spiel aus glänzendem Glas und einstudiertem Smalltalk, während der CEO am Kopfende des Tisches scharf und prüfend blickte. Thalen, in einem kobaltblauen Anzug, der eine Nuance zu grell war, platzte mitten in den Toast herein, trug ein Tablett mit Cocktails und ein Lächeln, das eine offene Einladung war, die Deckung fallen zu lassen. Er warf Sirae einen verschwörerischen Zwinkern zu und stieß dann mit comicartiger Begeisterung gegen Caels Ellbogen. Unter dem Geplänkel widerstand Cael dem Drang, Siraes Hand zu greifen, obwohl sein Knie ihrs streifte und Hitze zwischen ihnen pulsierte.
Sirae hingegen bewahrte kühle Distanz – bis Caels Daumen langsam über ihre Knöchel strich und sie kaum hörbar einatmete. Sie unterdrückte den Impuls, sich zu ihm zu lehnen, ihre sorgfältig aufgebaute Maske vor all diesen Augen zu zerstören. Thalen füllte die Gesprächspausen mit Witzen, Geschichten, einem Wirbelwind der Ablenkung, doch immer wieder warf er Blicke zwischen Cael und Sirae, als hätte er den Hauch von etwas Verbotenem gerochen.
Später, im Aufzug, waren die Lichter zu grell, unvorteilhaft, die verspiegelten Wände spiegelten jede Facette der Fassade wider. Caels Krawatte war gelockert, der oberste Knopf offen, sein Atem flach. Sirae drückte den Knopf für die Lobby, starrte dann geradeaus, die Lippen leicht geöffnet, der Kiefer angespannt. Die Luft fühlte sich geladen, klaustrophobisch an. Er wollte fast etwas sagen – irgendetwas, um die Stille zu brechen. Doch Sirae war schneller, packte sein Handgelenk, drehte ihn, bis sein Rücken gegen die Wand prallte. Ihre Münder krachten zusammen, wild und hungrig.
Ihre Finger verhedderten sich in seinen Locken, während er gegen ihre Lippen keuchte. Caels Hand wanderte vom scharfen Winkel ihrer Taille zur weichen Hitze unter ihrem Kleid, entlockte Sirae ein raues Stöhnen, als sie sich ihm entgegenbog. Der Aufzug summte – ein kleiner, privater Käfig in Bewegung. Siraes Atem stockte, als Cael ihren Kiefer küsste, seine Zunge die beschleunigte Pulsader an ihrem Hals nachzeichnete. Ihre Kontrolle zerbrach endgültig; ihre Nägel gruben sich durch das Hemd in seine Schulter, köstlicher Schmerz vermischte sich mit Verlangen.
Der Aufzug bremste ruckartig. Siraes Hüften pressten sich eng an Cael, seine Hände gierig und verzweifelt, während sie in seine Unterlippe biss. Doch dann – die Türen klingelten und glitten auf. Ein uniformierter Hausmeister stand da, blinzelte, weit aufgerissene Augen bei diesem Anblick. Sirae trat zurück, die Wangen glühten, der Blick trotzig. Caels Brust hob und senkte sich heftig, das Herz raste so laut, dass es das entschuldigende Murmeln übertönte. Er sah zu Sirae, suchte auf ihrem Gesicht nach Reue, fand aber nur rohe Verwirrung und Hitze, die ihm zurückgespiegelt wurde.
Draußen rauschte die Stadt vorbei wie ein verschwommener Strom. Thalen wartete, lehnte an der Marmorsäule, die Arme verschränkt. Er musterte ihre zerzausten Klamotten, die geschwollenen Lippen und zog eine Augenbraue hoch – Neugier und Schalk kämpften in seinen Augen. „Na, wollt ihr mir etwa erzählen, was hier wirklich abgeht?“
Caels Hand verweilte an Siraes Taille, Frustration und Verlangen rangen um die Oberhand. Sirae traf Thalens Blick, die Maske rutschte für einen einzigen, nackten Herzschlag. Zum ersten Mal fühlte sich die Gefahr echt an – und berauschend.
Als sich die Aufzugtüren schlossen, flüsterte Sirae nur für Cael: „Willst du, dass das echt wird?“ Ihre Stimme zitterte, fast ängstlich vor der Antwort.
Bevor er etwas sagen konnte, vibrierte sein Handy. Eine neue Nachricht blitzte auf dem Bildschirm auf – kein Absender, nur eine einzige Zeile: Ich weiß, was du verheimlichst. Pass auf dich auf.
Fortsetzung folgt...