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Kapitel 7

Lessas Hände zitterten, als sie den Knopf für den Krankenhausaufzug drückte, die Finger wund vom ständigen Drehen ihrer Ringe. Das grelle Neonlicht ließ ihre Haut blass, fast durchsichtig wirken. Ihr sonst so glänzendes, festgestecktes Haar fiel achtlos über die Schultern, die Bluse hatte sie verkehrt herum angezogen. Als sich die Türen endlich öffneten, drückte sie sich in die Ecke, die Arme fest um die Taille geschlungen, als wollte sie sich selbst zusammenhalten. Sie wollte schluchzen, zusammenbrechen – der Name ihrer Mutter hallte noch immer in der Notaufnahme nach, zerbrechlich und endgültig. Stattdessen zwang sie sich, an Corven zu denken, das Einzige, was sich sicher anfühlte, und für einen kurzen Moment spielte sie mit dem Gedanken, direkt zu ihm zu rennen.

Aber Corven meldete sich nicht. Seine letzte Nachricht – nur ein schlichtes „Geht’s dir gut?“ – blinkte unbeantwortet auf ihrem Handy. Jeder Muskel in ihrem Körper schrie danach, zu ihm zu gehen, sich in den Armen zu verlieren, die nur sie wollten, doch dieser Weg war jetzt versperrt – durch Pflicht, durch Angst, durch das Gift, das Briq ihr erst vor Stunden ins Ohr geflüstert hatte.

Sie sah Briqs Lächeln noch vor sich, scharf wie eine Klinge, sein Anzug makellos, die Haltung räuberisch, als er sie nahe des Krankenhauscafés in die Enge trieb. Seine Stimme war Samt und Gift zugleich: „Ich kann Lirae retten. Ich habe das Kapital. Aber du beendest es mit Corven. Für immer. Oder ihr verliert beide alles.“ Er wartete, die Augen unbeirrt, dunkler als sie ihn in Erinnerung hatte. Lessa funkelte ihn an, die Schultern straff, verabscheute es, dass er durch jede Maske hindurchsah. Sie wollte ihm ins Gesicht spucken, seinen Bluff entlarven. Stattdessen nickte sie nur, kaum merklich. Er wusste, dass er gewonnen hatte; nicht einmal ein Lächeln schenkte er ihr, als er ging.

Die Nacht lastete schwer auf Corvens Büro, wo er wartete, halb betrunken, zusammengesunken im Stuhl, das Licht der Schreibtischlampe zeichnete Schatten in seine Wangenknochen. Als Lessa ihn fand, sah er zuerst nicht auf – er hörte nur ihren Atem, rau und unregelmäßig. Sie sah zerstört aus: verschminkte Augen, zerknitterter Rock, der Kiefer zu hart angespannt. „Sag mir, es ist nicht vorbei“, flüsterte er, die Stimme verletzt, die Augen verzweifelt. Sie wollte antworten, doch es kamen nur Tränen.

Sie stolperte zwei Schritte zu ihm, die Hände in seinem Haar, die Lippen pressten sich mit Verlangen und Schmerz auf seine. Er zog sie auf seinen Schoß, die Arme schlangen sich so fest um sie, dass sie nach Luft schnappte, sich aber nicht löste. Ihre Küsse schmeckten nach Salz, Verlangen und den letzten Funken Hoffnung. Seine Hände waren rau, gierig, glitten unter ihren Rock, packten ihre Oberschenkel, als wollten sie sie an diese Welt ketten. Ihre Bluse öffnete sich unter zitternden Fingern. Sie legte seine Stirn an ihre, atemlos, flüsterte: „Ich kann nicht – ich muss –“ doch sie brach ab. Er beruhigte sie mit einem weiteren Kuss, sein Mund wanderte zu ihrem Hals, ihrem Schlüsselbein, bis sie in seinen Armen zitterte, schluchzend, während Hitze und Herzschmerz verschwammen.

Ihre Körper bewegten sich in hektischer, chaotischer Verzweiflung – Knöpfe sprangen, Stoff schob sich zusammen, Haut berührte Haut, keiner achtete auf die raue Kante des Schreibtischs oder die verstreuten Weingläser unter ihnen. Jeder Stoß war eine Entschuldigung, jedes Stöhnen ein Echo des Verlusts. „Lass mich nicht los“, flehte er, und sie biss sich ein Schluchzen zurück, klammerte sich an seine Schultern. Danach saßen sie verheddert da, die Gesichter feucht und glänzend von Tränen, kaum atmend, wissend, dass dies der Abschied war.

Sennes Welt schrumpfte auf den Lagerraum des Festivals zusammen, ihr Herz hämmerte, als Briq die Tür blockierte, die Augen wild, das Haar vom Regen zerzaust. „Du schuldest mir die Wahrheit“, knurrte er, die Stimme brüchig, die Hände zitterten, während er sich an beiden Seiten von ihr abstützte. Sie sträubte sich, die Fäuste geballt an den Seiten – dann, unfähig es länger zu ertragen, drückte sie ihm das Foto gegen die Brust: ein winziges, schlafendes Gesicht. „Sie ist dein Kind. Zwei Jahre, Briq. Du kannst nicht mehr so tun, als wäre nichts.“

Briqs Kiefer arbeitete, die Farbe wich aus seinem Gesicht. Seine makellose Kontrolle zerbrach – die Knie gaben nach, er rutschte zu Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Senne stand wie erstarrt da, die Knöchel weiß, die Lippen zitterten, als könnte sie zerbrechen. Als Briq endlich aufsah, waren seine Augen rot, der Mund fest zusammengepresst. „Lass mich sie sehen“, flüsterte er heiser. Senne nickte nur einmal, und etwas in ihr zerbrach, als sie sah, wie er sich endlich, endlich fühlte.

Später starrte Lessa leer auf ihr Handy, las Corvens unbeantwortete Nachrichten immer wieder, die Hände schlaff im Schoß. Sie versuchte, sich eine Zukunft mit ihm vorzustellen, mit ihrer Mutter, mit irgendjemandem – und fand nur Leere.

Corven, allein im kalten Dämmerlicht, starrte auf die Nachricht von Vyn: „Bereit, Audelis bezahlen zu lassen?“ Seine Augen funkelten, hohl und wütend, während er begann, ein einziges Wort zu tippen.

Fortsetzung folgt…

Samtige Fessel

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