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Kapitel 2

Corven steht neben den verwitterten Eichenfässern, ein enges Hemd, das noch von Traubenstaub bedeckt ist, schmiegt sich an seine Figur, die Ärmel lässig hochgekrempelt, der Kragen halb geöffnet und gibt dieses goldene Dreieck Haut am Hals frei. Er hebt den Blick von einem Buch, als Lessa hereinkommt – die Haare wirr hochgesteckt, dunkle Augen von Müdigkeit gerändert, doch sie lächelt, als er ihren Blick fängt. Er zieht die Worte lang: „Schon wieder zu spät, Mirunne.“ Doch ihre einzige Antwort ist ein schmales Grinsen, während sie zwischen den Fässern hindurchgleitet, die Hand streift seine, als sie vorbeigeht. Die Luft zwischen ihnen knistert. Für einen Moment scheint sie etwas Echtes sagen zu wollen, doch stattdessen beißt Lessa sich auf die Lippe, mustert die Tür, Nerven flackern über ihr Gesicht. Corvens Blick haftet auf ihr – weit, vorsichtig, sehnsüchtig.

Er senkt die Stimme, neckt sie. „Wenn du hier nach Feierabend weiter auftauchst, fangen die Leute an zu tuscheln.“ Lessa lacht, doch das Lachen bricht. Ihre Finger spielen nervös am Saum seines Hemdes, fordernd und angespannt. „Lass sie doch,“ flüstert sie, doch das Lächeln erreicht nicht ihre Augen. Sie rückt näher, lässt sich zwischen seinen Körper und das kalte Fass drücken. Er küsst sie – langsam, verschlingend, die Hände wandern ihren Rücken hoch, verzweifelt nach Bestätigung suchend. Für einen Moment schmilzt Lessa dahin, die Arme schlingen sich um seinen Hals. Sie vergisst den Anruf ihrer Mutter, die erdrückende Angst, die wie eine zweite Haut an ihr klebt.

Doch sein Geschmack ist heute bittersüß. Als sie sich lösen, lässt sie den Kopf nach vorn sinken, die Stirn streift seine Brust. „Du kannst mich nicht vor allem beschützen, Corven.“ Er streicht eine lose Locke hinter ihr Ohr, die Berührung sanft, doch die Augen brennen. „Vielleicht nicht. Aber ich kann dich trotzdem lieben.“ Dieses Wort – Liebe – hängt unausgesprochen in der Luft, laut in ihrem Schweigen.

Später, als Lessa nach Hause eilt, fällt das verblassende Sonnenlicht schräg durchs Küchenfenster, kalt und hart. Ihr Handy vibriert – die Stimme ihrer Mutter, müde und ängstlich am anderen Ende, der alte Schmerz schärft sich. Als das Gespräch endet, sinkt Lessa zu Boden, zieht die Knie an die Brust, Tränen verwischen Mascara über ihre Wangenknochen. Sie atmet kaum, als Corvens Nachricht ihr Display erleuchtet: Ich brauche dich. Immer.

Ein paar Meilen entfernt richtet Briq Vessiel seine maßgeschneiderte Jacke mit klinischer Präzision, jeder Knopf sitzt, jede Falte makellos. Sein Gesicht ist aus Eis gemeißelt, während er durch den belebten Flur des Gutshauses streift. Am Fenster bleibt er stehen, die Augen dunkel und prüfend, beobachtet, wie Corvens Wagen von Liraes Einfahrt wegfährt. Gegenüber den Angestellten nickt er nur kurz – knapp, kaum höflich – doch in seinem Kopf rattern die Zahnräder, analysieren, suchen nach Schwächen. Mit zusammengekniffenen Augen verfolgt er Lessas hastige Silhouette, ein Raubtierlächeln spielt um seine Lippen.

Beim Festtreffen später in der Woche steigt die Spannung. Lessa erscheint in einer schmalen schwarzen Bluse, das Gesicht blass gewaschen, doch die Lippen trotzig rot geschminkt. Briq steht am anderen Ende des langen Tisches, steif, die Arme verschränkt. „Schon wieder zu spät,“ sagt er, die Stimme eine seidige Drohung. Lessa kontert scharf: „Vielleicht solltest du aufhören, alle zu kontrollieren, und mal was Nützliches tun,“ ihr Ton leise und gefährlich. Sie starren sich über Akten und dampfende Tassen hinweg an – keiner will nachgeben, die alte Rivalität spürbar.

Corven kommt herein, das Haar zerzaust, leichter Bartschatten zeichnet seinen Kiefer, und sein Lächeln – nur für Lessa bestimmt – verweilt zu lange. Briq beobachtet ihren Austausch mit messerscharfem Blick, registriert jede Wärme, jeden Riss in ihren Abwehrmauern. Als Corven sich vorbeugt und etwas murmelt, das Lessas Mund zu einem kleinen Lächeln zwingt, ballen sich Briqs Fingerknöchel auf dem Tisch.

Nach dem Treffen schleichen Lessa und Corven davon, ihr Lachen klingt nach wie ein Versprechen. Briq folgt aus der Entfernung, Schritte gemessen, Raubtierruhe in jeder Bewegung. Auf dem dämmrigen Parkplatz hebt er sein Handy, macht ein Foto, während Lessa sich an Corven lehnt, beide ahnungslos gegenüber der Welt, die Lippen noch geschwollen von einem Kuss, der im Schatten gestohlen wurde.

Am nächsten Abend, während Lessa unter dem schwachen Küchenlicht Rechnungen sortiert, vibriert ihr Handy mit einer blockierten Nachricht. Auf dem Bildschirm: ein verschwommenes Foto von ihr und Corven, gefährlich nah. Der Text dazu: Ist er es wert, alles zu verlieren?

Lessas Hand zittert. Gedanken rasen – Schuld, Angst, ein krankes Gefühl von Trotz. Sie weiß nicht, dass sie beobachtet wird, ihre Geheimnisse schon als Waffen benutzt, der erste Riss in ihrer sorgfältigen Fassade beginnt zu klaffen.

Fortsetzung folgt...

Samtige Fessel

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Samtige Fessel: Fesselndes Liebesdrama zum Lesen