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Kapitel 1

Ein Kristalllichtblitz explodiert von Serris’ silbernem Kleid, als sie durch den überfüllten Flur wirbelt, eine Hand krampfhaft um ihre Clutch geschlossen, die andere tastet verzweifelt die Wand ab – eine stumme Suche nach Luft hinter Hollywoods Samtseilen. Ihre Lippen sind fest aufeinandergepresst, die Augen scharf wie Glas, dunkle Wimpern zittern. Fotografen schreien auf der anderen Seite einer Tür. Jemand stößt sie. Sie taumelt, fast panisch. Dann taucht Lio auf, ganz in Schwarz, offen geknöpftes Hemd, das an seinen Schlüsselbeinen klebt, das wilde Haar halb gezähmt für die Premiere. Seine Augen – frech und hell – fangen Serris’ Blick genau in dem Moment, als ihre Geduld zerbricht.

Ihr Zusammenprall ist körperlich, unmittelbar. Lios Reflexe sind pure Spannung und Geschwindigkeit; seine Hand schießt heraus, hält sie mit festen Fingern an der nackten Schulter. Sein Daumen verweilt zu lange, als wolle er ihre Haut auswendig lernen. Serris blickt auf seine Berührung, schweigt, ein Warnsignal spielt um ihre Mundwinkel. Er beugt sich vor, Stimme leise, neckend: „Stürmst du Premieren immer so, oder willst du dich hier einfach durchboxen?“

Sie lächelt nicht, nicht sofort. Ihr Kiefer spannt sich, und für einen Herzschlag wirkt sie wie aus Marmor – Disziplin und Verachtung in Person. „Wenn ich dich durchboxen wollte, würdest du es merken.“ Ihre Worte schneiden zwischen ihnen hindurch, scharf genug, um zu bluten. Doch Lio grinst nur. In seinem Blick liegt eine Herausforderung, wenn er zu ihren leicht geöffneten Lippen hinabsieht, in der sturen Art, wie er keinen Schritt zurückweicht. Die Spannung in der Luft ist unverkennbar – heiß, hungrig, gefährlich.

Sie stehen dicht nebeneinander, atmen zu nah. Serris fröstelt leicht, ihre Augen wandern zu seinen vernarbten Knöcheln, wo seine Hände ihren Arm umklammern. Er bemerkt es, lässt seine Finger langsam und bewusst hinuntergleiten, bevor er sie loslässt. „Vorsicht“, sagt er jetzt sanfter, die Schärfe für einen Moment verflogen, ersetzt durch einen unerwarteten, weichen Schmerz.

Das Chaos des roten Teppichs donnert in der Nähe. Serris richtet sich auf, die Wirbelsäule starr wie Eisen, doch ihr Herz hämmert, als sie ihn ohne Rüstung ansieht. Lio wirft einen Blick zu den geschlossenen Türen, bietet seinen Arm wie eine Herausforderung an. „Willst du raus?“ murmelt er. Sie zögert kurz, dann schlingt sie ihren Arm um seinen. Eine einfache, aber intime Geste, die Hitze über ihre Haut jagt.

Sie schleichen nach draußen, hinter ihnen explodieren Lichtblitze, das Geschrei der Paparazzi wird gedämpft, als die Autotür knallt. Im Towncar fallen Schatten weich und geheimnisvoll. Serris atmet aus, lehnt den Kopf an das Leder, ihr Kleid rutscht tiefer als beabsichtigt. Lio kann nicht anders, als die Linie ihres Schlüsselbeins zu beobachten, wie sie sich unerwartet verletzlich streckt.

Sie lacht – kurz, fast erschrocken über sich selbst. „Ich hasse diese Nächte“, sagt sie leise, brüchig. Lio antwortet ehrlich, ohne Fassade: „Ich auch. Falsche Lächeln, falsche Geschichten – niemand interessiert sich dafür, wer du wirklich bist.“ Er sagt es wie ein Geheimnis, das auf seiner Zunge brennt. Für einen Moment existieren sie einfach in dieser Ehrlichkeit, ungeschützt. Serris dreht sich um, die Augen weicher, und für einen Herzschlag streift ihre Hand sein Knie. Keiner sieht weg.

Der Fahrer gibt Gas, Straßenlaternen flackern über Serris’ nackte Schultern, golden und flüchtig. Lio dreht sich um, seine Hand hebt sich zum Reißverschluss an ihrem Rücken – eine stumme Frage. Sie nickt, ohne zu blinzeln. Er zieht ihn herunter, das Geräusch scharf in der Stille. Das Streifen seiner Knöchel über ihre Haut lässt sie scharf einatmen; ihre Augen schließen sich, die Lippen werden weich. Das Kleid lockert sich, und für einen Moment verweilen seine Finger, flach zwischen ihren Schulterblättern. Serris’ Atem stockt. Ihre Gesichter nähern sich. Sie hebt das Kinn, die Wimpern halb gesenkt, ihre Münder nur ein Flüstern voneinander entfernt. Das Auto bremst – der Moment zerbricht.

Sie öffnet die Tür, bevor etwas passieren kann, steigt aus, wirft aber einen Blick über die Schulter zurück, die Wangen gerötet, die Augen voller eines Verlangens, das sie nie zuvor gezeigt hat. „Sehen wir uns drinnen?“ fragt sie. Lio nickt, Verlangen und Angst kämpfen in seinem Blick.

Auf der anderen Straßenseite blitzt eine Kamera – verborgen, lauernd. Keiner von beiden sieht sie. Doch jemand hat alles eingefangen: die Berührung, den Blick, das Beinahe-Küssen, mit jedem Geheimnis und jeder Sehnsucht, die sich in ihren Gesichtern spiegelt.

Fortsetzung folgt...

Sternenklare Adern

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