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Kapitel 2

Eras Finger zitterten, als sie das letzte Preisschild anbrachte, die Hitze stieg ihr den Nacken hinauf unter den grellen Galerielichtern. Ihre blassblaue Bluse schmiegte sich an die schlanken Linien ihres Körpers – akkurat hineingesteckt, professionell, doch sie fühlte sich roh und bloßgestellt, die Seide klebte feucht auf ihrer Haut. Im Glas fing sie ihr Spiegelbild ein: weit aufgerissene grüne Augen, leicht geöffnete Lippen, ein Flackern von Nervosität, das sich nicht beruhigen wollte. Hinter ihr hallten Schritte: langsam, bedacht, misstrauisch. Veyron stand im Türrahmen, die Arme verschränkt über der straffen Brust unter dem maßgeschneiderten anthrazitfarbenen Anzug. Sein Kiefer spannte sich, dunkle Augen verfolgten jede ihrer Bewegungen. Dieser Blick – hungrig, besitzergreifend – ließ ihr Herz stolpern.

Er sagte nichts, doch sie spürte den Sturm, der in seinem Schweigen brodelte. Sie wandte den Blick ab. „Ich will nur sicherstellen, dass für die Spender alles perfekt ist.“ Ihre Stimme war zu leise, fast entschuldigend.

Veyrons Mundwinkel zuckten zu einem fast spöttischen Lächeln. „Du meinst für ihn.“ Sein Blick glitt an ihr vorbei, und Era spürte ein krankes Ziehen in der Magengegend – er wusste es. Oder glaubte es zumindest. Bevor sie antworten konnte, schnitt eine andere Stimme durch den Raum: lässig, mit einem Hauch von Verachtung.

Cael lehnte lässig an einem nahegelegenen Podest, die Hände in den Taschen seiner schwarzen Jeans vergraben, ein schiefes Grinsen spielte an einer Ecke seiner Lippen. Sein Hemd – nicht hineingesteckt, die Ärmel hochgekrempelt – wirkte nachlässig, verbarg aber etwas Zerbrechliches. „Ich dachte, hier sollten wir nur die Kunst anbeten, nicht die Spender. Oder kuratierst du jetzt gebrochene Herzen, Era?“

Sie errötete, biss sich auf die Lippe, doch in Caels Neckerei lag eine Wärme, die sie zum Lachen bringen wollte – wenn die Luft nicht so gespannt wäre. Veyrons Augen verengten sich, doch Cael hielt seinen Blick stand, ohne Furcht. Für einen Moment spürte Era das leise Vibrieren der Spannung zwischen ihnen, zwei unterschiedliche Stürme, die um ihre Aufmerksamkeit kämpften.

„Ich will nur, dass heute Abend alles richtig läuft“, sagte sie leise und glättete ihren Rock. „Keine Fehler.“

Ein Schatten glitt über den polierten Boden. Zelle trat neben sie, scharf geschnitten in maßgeschneidertem Blau, ein goldenes Armband blitzte an seinem Handgelenk. Sein Lächeln war scharf wie Glas, die Augen eisig – die Ruhe eines Jägers. „Fehler sind unvermeidlich, Liebling. Aber du warst schon immer gut darin, sie zu beseitigen.“ Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, verweilte dabei etwas zu lange. Sie erstarrte. Caels Augenbrauen schossen hoch, Veyrons Fäuste ballten sich.

Veyron trat vor, die Stimme tief, kaum beherrscht. „Du solltest das Personal nicht anfassen.“

Zelles Lächeln wankte nicht. „Betrachte es als Privileg eines Spenders.“ Sein Blick glitt zu Era, die Augen wurden fast weich, als flehte er – eine Erinnerung, die zwischen ihnen schwebte. Eine Geschichte, die sonst niemand sah.

„Ich muss das Restaurationslabor vorbereiten“, unterbrach Lirian sanft und durchbrach die Pattsituation. Vorsichtig, undurchschaubar musterte er Zelle. Seine Hände – selbst nach all den Jahren noch von Farbe befleckt – schwebten schützend in der Nähe von Eras Ellbogen. Er trug einen weichen grauen Pullover, die Ärmel hochgekrempelt, sodass seine langen, eleganten Finger sichtbar wurden. „Era, kannst du mir helfen?“

Die Erleichterung in ihrem Gesicht war unverkennbar, doch als sie Lirian folgte, fing sie Veyrons Blick ein – glühend, wütend, besitzergreifend – und er brannte sich in sie ein. Sie fragte sich, ob er ihr folgen würde, und ob sie das überhaupt wollte.

Im Restaurationsatelier fühlte sich die Welt kleiner, stiller an. Lirian stand dicht bei ihr, als sie sich über ein gesprungenes Ölgemälde beugten, ihre Schultern berührten sich fast. Sie spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging, den Hauch von Schüchternheit in seinem sanften Lächeln. Seine Augen – überraschend blau, so anders als Veyrons Nacht – suchten ihre, baten um Vertrauen. „Geht es dir gut?“ flüsterte er.

Sie nickte, die Stimme blieb ihr im Hals stecken.

Seine Hand fand ihre, zögernd, der raue Daumen strich über ihre Knöchel. „Du musst nicht zulassen, dass man dich so behandelt. Nicht Zelle. Niemand.“ Schmerz lag in seinen Worten, das Echo alter Wunden.

Eras Atem stockte. Sie traf seinen Blick, sah die Sehnsucht, die Angst. Lirians Hand wanderte zu ihrer Taille – leicht, zitternd – zog sie sanft näher. Ihr Herz hämmerte. Seine Lippen schwebten an ihrem Ohr, sein Atem streichelte ihre Haut. „Ich will dich beschützen, Era. Sogar vor mir selbst.“

Für einen Moment schrumpfte die Welt auf die Wärme zwischen ihnen zusammen. Seine Lippen streiften ihre Schläfe, dann wanderten sie hinab, fast bis zu ihrem Mund. Ihre Atemzüge vermischten sich, die Hände krallten sich an den Tischrand, als könnte er sie festhalten. Ihr Körper neigte sich vor, spannte sich, sehnte sich nach mehr.

Doch Lirian erstarrte – seine Augen verdunkelten sich, ein Schatten von Erinnerung, Bedauern huschte über sein Gesicht. Er löste sich mit einem Schaudern, trat zurück. „Es tut mir leid. Ich kann nicht.“ Er ging, ließ sie zitternd zurück, nach ihm greifend in der Stille.

Hinter ihr klickte die Tür. Zelle trat ein, sein Lächeln dünn wie Papier, als er die Distanz zwischen ihnen schloss. „Schön zu sehen, dass du dich nicht verändert hast, Era“, murmelte er, so leise, dass nur sie es hören konnte. „Aber vergiss nicht, was du mir schuldest. Und was ich dir nehmen kann.“

Sie zuckte zurück, Tränen brannten in den Augen. Draußen, durch einen Spalt in der Tür, tauchte Veyrons Gesicht auf – die Augen wild vor Eifersucht und etwas noch Dunklerem.

Fortsetzung folgt...

Zerbrochene Glasherzen

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