Kapitel 8
Veyron steht nach Mitternacht in den stillen Gängen, seine Uniform abgelegt, die schwarzen Kanten von Niederlage weichgezeichnet. Seine Hände zittern, als er zum letzten Mal den Sicherheitsausweis über die schließende Bürotür zieht. Im dunklen Glas fängt er sein Spiegelbild ein – der Kiefer angespannt, die Augen von Schatten umringt, das Haar zerzaust von Sorge. Das Museum schweigt, doch er spürt Eras Gegenwart überall – das Gespenst ihres Lachens hallt in Marmor wider, die Erinnerung an ihren Mund auf seinem in dem kalten Schein der Monitore. Seine Brust schmerzt vor etwas Hässlichem und Zartem zugleich: Liebe, die nach Trauer schmeckt.
Er findet sie in der Skulpturhalle, allein unter dem schiefen Mondlicht. Sie trägt eine ausgebleichte Strickjacke über ihrem Kleid, müde, aber neu befreit von Angst. Ihre Hände zittern, während sie die letzten Artefakte katalogisiert, die Finger ehrfürchtig über vergoldete Rahmen gleitend. Sie dreht sich bei seinen Schritten um – Veyron sieht, wie sie sich aufrichtet, die Schultern angespannt, die Lippen leicht geöffnet, als würde sie sich auf einen weiteren Sturm vorbereiten. Doch jetzt liegt Trauer darin, keine Furcht, und das hält ihn zurück.
„Du gehst?“ Ihre Stimme ist klein, rau an den Rändern. Veyron nickt, der Kiefer arbeitet. „Ich wollte dich nur beschützen“, sagt er, die Worte schwer vor Bedauern, „aber ich habe alles kaputtgemacht. Ich kann nicht… ich will dich nicht mehr verletzen.“ Für einen Moment flackert etwas Wildes in seinem Blick auf – dann zerbricht es, und er tritt zurück, die Kapitulation in jeder Linie seiner Haltung geschrieben.
Era tritt näher, sucht in seinem Gesicht nach dem Mann, den sie einst brauchte. „Du musstest mich nie besitzen, Veyron. Ich wollte nur, dass du mich siehst.“ Ihre Stimme ist sanft, als würde sie ein verletztes Tier beruhigen. Sein Hals arbeitet, doch keine Worte kommen. Er streicht mit dem Daumen über ihre Wange – eine letzte, zitternde Berührung – dann lässt er die Hand sinken. Ihre Blicke treffen sich, tragen tausend unausgesprochene Entschuldigungen, und dann geht er, seine Stiefel hallen in der Leere nach.
Im folgenden Schweigen lehnt Era die Stirn an den Rahmen eines Gemäldes, atmet schwer. Es ist Lirian, der sie dort findet, sein blassblaues Hemd zerknittert unter dem Arbeitsmantel, die Locken feucht von nervösen Fingern, die hindurchgefahren sind. Er zögert, der Blick schwer von Sehnsucht und Hoffnung, hält sich an der Schwelle, als könnte er fliehen, wenn sie zurückschreckt.
Sie hebt die Augen, nass und glänzend von den Wimpern. „Ich will mich nicht mehr verstecken“, flüstert sie, die Stimme bricht auf. Lirians Zurückhaltung bricht; er überbrückt den Raum, zieht sie nah, die Hände zittern an ihrem Rücken. Sie vergräbt ihr Gesicht in seiner Brust, atmet den vertrauten, tröstlichen Duft ein – Leinöl, Regen und Erinnerung.
Er umfasst ihren Kiefer, die Berührung ehrfürchtig, Herzschmerz und Verlangen kämpfen in seinem Gesicht. „Wir sind beide zerbrochen“, murmelt er an ihrem Haar. „Aber wenn du mich lässt—“ Sie bringt ihn mit einem Kuss zum Schweigen. Zuerst sanft, dann drängend – Monate der Sehnsucht brechen in Hitze zusammen. Seine Hände gleiten unter ihre Strickjacke, die Fingerspitzen wie Geister entlang ihrer Wirbelsäule, während sie an seinem Hemd zupft, verzweifelt nach Haut suchend. Ihre Körper verschmelzen, Atemzüge verheddert, Verlangen und Hoffnung strömen zwischen ihnen.
Sie sinken auf die Kisten, achtlos gegenüber Kunst und Konsequenzen, Kleidung fällt ab – ihr Kleid über den Kopf gezogen, sein Hemd mit zitternden Händen geöffnet. Lirians Augen lassen ihre nicht los, suchend, flehend um Vertrauen. Ihre Münder treffen sich gierig, ihre Finger verfangen sich in seinem Haar, sein Daumen zeichnet die Linie ihres Kiefers nach. Er nimmt sie mit einem Keuchen, jede Bewegung langsam und schmerzlich, als würde er nicht nur ihren Körper anbeten, sondern die Chance, endlich und wirklich gewählt zu werden.
Danach liegt Era über seiner Brust, sein Herz donnert in ihrem Ohr. Die Morgendämmerung schleicht durch die Fenster, blasses Gold ergießt sich über verstreute Leinwände und ihre verschlungenen Körper. Er wischt ihr mit sanften Küssen Tränen von den Wangen, verspricht nichts als Ehrlichkeit und den Willen, es zu versuchen. Ihr Lachen, zitternd und echt, füllt den Raum, wo einst Tragödie wohnte.
Unten sitzt Cael im Pausenraum, die Hände um eine abgekühlte Tasse Tee geschlossen. Er sieht den Sonnenaufgang allein an, die Schultern gebeugt, das leichte Zittern in seinem Griff verrät Nerven – doch sein Handy leuchtet mit einer Nachricht auf: „Du bist nicht allein.“ Lirians Name. Ein kleines, unsicheres Lächeln bricht durch Caels Sarkasmus.
Das Museum ist angeschlagen, die Zukunft ungewiss – Zelle ist weg, zurück bleibt nur Stille und die saubere Wunde seines Abschieds. Später am Morgen steht Era in der leeren Galerie, der Blick jetzt fest, die Hüften an Lirians gelehnt, der sie an der Taille zieht. Sie wiegen sich langsam im Schweigen, keine Musik außer ihrem Atem und leisem Lachen. Sie schließt die Augen, als er ihre Schläfe küsst, die Wärme seiner Hände verspricht für den Moment eine Liebe, die auf Wahrheit gebaut ist – nicht Besitz, sondern Wiederherstellung.
Die Welt draußen drängt nah, Geheimnisse atmen noch in den Wänden, doch in diesem zerbrechlichen Raum bleibt Hoffnung – zerbrechlich, unvollkommen und echt.