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Kapitel 7

Tavian wartet draußen vor Glasswells leerer Konferenzsuite, die Schultern tief in einem dunkelblauen Hoodie vergraben, die Nerven kribbeln unter seiner Haut. Immer wieder checkt er die Uhr, die Lippen sind wundgekaut, das Haar fällt ihm in die grün-goldenen Augen, die nervös den dunklen Flur hinunterblicken. Jeder entfernte Schritt lässt seinen Puls hochschnellen. Als sich die Tür endlich öffnet, tritt Aelira ein – ein Stück Mitternacht in einem maßgeschneiderten anthrazitfarbenen Anzug, ihre Strenge nur durch die losen Haarsträhnen gemildert, die hinter ein Ohr gestrichen sind.

Er atmet aus, die Hände tief in den Taschen vergraben, die Stimme zittert. „Danke, dass du gekommen bist. Ich wusste nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte—“ Seine Worte brechen unter der Last all dessen, was unausgesprochen bleibt, zusammen. Aeliras Blick ist direkt, durchdringend – ihr Mund zu einer Linie gespannt, die zwischen Mitgefühl und Warnung schwankt.

Sie mustert ihn, liest die panische Unruhe in seiner Haltung, wie er leicht auf den Fersen wippt. „Du siehst aus, als hättest du tagelang nicht geschlafen, Tavian.“ Ihr Ton ist schroff, doch darunter liegt etwas gefährlich Zartes. Er will auf sie zugehen, um Vergebung und Erlösung flehen, doch die Scham hält ihn fest.

Lyskas Ankunft ist ein Sturm – Stiefel hallen, kohlumschminkte Augen blitzen, die Lippen spröde, aber trotzig. Sie stapft zwischen ihnen hindurch, fährt sich mit den Händen durch das wilde Haar, Energie pulsiert in Wellen von ihr ab. „Sind wir jetzt endlich alle fertig mit dem Versteckspiel?“ Ihre Stimme bricht, schrill und zu laut. „Ich habe die Nase voll von Geheimnissen.“ Sie starrt beide an, das Kinn so entschlossen erhoben, dass es zerbrechen könnte.

Für einen Moment herrscht Schweigen. Tavians Brust zieht sich zusammen. Lyskas scharfe Maske bröckelt, ein Funken Angst blitzt auf. Aelira seufzt, reibt sich die Nasenwurzel, dann sieht sie Lyska direkt an, all ihre scharfen Wangenknochen und die offene Verletzlichkeit. „Du willst die Wahrheit? Gut. Ich habe Tavian gedeckt. Ich habe gelogen. Monatelang. Weil es sonst niemanden interessiert, ob ihr beide hier überlebt.“

Lyska starrt, der Hals arbeitet. Tavians Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. „Ich habe alles zerstört. Meine Familie. Diese Firma. Ich—“ Er zittert, Tränen drohen zu fließen. „Ich verdiene es nicht—“ Doch Lyskas zitternde Finger greifen nach seinem Ärmel, krallen sich verzweifelt in den Stoff, lauter als jedes Wort.

Aeliras Fassung bricht endlich. Sie tritt näher, legt eine zaghafte Hand auf Lyskas Schulter, die andere auf Tavians Rücken. Ihre Nägel graben sich ein, verankern sie alle in der geladenen Stille. „Wir sind nicht mehr allein“, sagt sie, die Stimme bricht. „Lasst jemanden die Last tragen – einfach mal.“

Der Damm bricht. Tränen laufen Tavians Wangen hinab. Lyskas Kiefer zittert, ihr Mund presst sich an sein Ohr, der Atem heiß und rau. „Du bist kein Gift. Ich brauche dich.“ Ihr Geständnis ist Flehen und Versprechen zugleich. Tavian dreht sich um, fängt ihren Mund mit seinem, der Kuss schmeckt nach Salz und Angst, Vergebung blüht in seinem Nachklang.

Aelira zögert – dann gibt sie nach. Sie zieht Lyska in eine zitternde Umarmung, ihre Körper eng aneinandergepresst, Hitze und Verlangen steigen zwischen den dreien wie ein Fieber auf. Tavians Arme schließen sich um beide Frauen, der Kreis eng, verzweifelt, unzerbrechlich. Für einen Moment gibt es nichts als Haut, keuchenden Atem und das Pochen verängstigter Herzen.

Die Luft wird schwer von der Möglichkeit auf Hoffnung – bis eine schrille Sirene die Stille durchschneidet. Rot- und Blaulichter fluten durchs Fenster. Aelira zuckt zurück, die Augen weit aufgerissen, die Farbe weicht aus ihrem Gesicht.

Auf einem Wandbildschirm explodieren die Nachrichten: GLASSWELL-SKANDAL – KORRUPTION AUFGEDECKT. Tavians und Lyskas Namen flackern in digitalem Feuer. Polizisten stürmen das Gebäude unten.

Lyskas Hand krallt sich fester in Tavians. „Wir müssen jetzt weg.“

Aelira steht da, wie gelähmt an der Weggabelung – Liebe oder Überleben. Sie stürmen hinaus in die ungewisse Nacht, die Last aus Verlangen und Verrat wie ein lebendiger Schatten hinter sich herziehend.

Fortsetzung folgt...

Impulse: Unter dem Glas

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