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Kapitel 2

Tavian zieht fast seinen Dienstausweis vom Band, als er den gläsernen Konferenzraum betritt. Er ist underdressed – ein dunkelblauer Pullover, abgetragene Jeans, blaue Sneakers, die leise über die Fliesen schleifen. Seine Haltung ist steif vor Nervosität, die Hände umklammern einen ramponierten Laptop, die Knöchel weiß vor Anspannung. Lyska sitzt schon da, am Kopf des Tisches, in einem kurzen schwarzen Blazer und maßgeschneiderten Hosen, ein nackter Knöchel lässig über einen Stiletto geschlagen. Ihr Blick ist messerscharf, die Lippen zu einem schmollenden Grinsen gepresst, dunkles Haar fällt über eine Schulter. Sie sieht nicht sofort auf, doch Tavian spürt, wie ihr Blick kurz aufblitzt, prüfend, wartend auf eine Schwäche.

Ohne Vorwarnung betritt Aelira den Raum. Ihr Schritt ist voller Selbstsicherheit: groß, kantig, das Haar streng zu einem Knoten gebunden, schwarze Brille glänzt im Licht. Sie trägt einen schiefergrauen Anzug, wie eine Rüstung, doch ihre Augen – frostblau, scharf – scannen den Raum, als wäre er Beweismaterial. Mit einem kontrollierten Seufzer setzt sie sich und legt ihren abgenutzten Notizblock auf den glänzenden Tisch, was Lyska verkrampfen lässt. Tavian spürt die Hitze zwischen den beiden, nicht aus Erinnerung, sondern die knisternde Spannung in der Luft.

„Frisches Blut“, sagt Aelira und nickt in Tavian Richtung. „Und schon im Flurfunk.“ Ihre Stimme ist leise, präzise – absichtlich provokant. Lyskas Mund verzieht sich herausfordernd; ihre Zunge schnippt spöttisch an der Ecke ihrer Zähne.

„Er hält dem Druck besser stand als die meisten“, murmelt Lyska, lehnt sich vor, sodass ihr Hemd am Schlüsselbein aufklafft. Sie trifft Aeliras Blick mit einem trotzigen, fast spielerischen Funkeln, und Tavian, halb unsichtbar, spürt ein krankes, heißes Ziehen in seinem Bauch. Er versucht sich zu konzentrieren – auf Zahlen, Folien, alles außer der Reibung zwischen diesen Frauen und wie Lyskas Stimme bei jeder Herausforderung leicht rauer wird.

Das Meeting zerfällt in Streit. Lyska, mit blitzenden Augen und kontrolliertem Gift, unterbricht Aelira bei jedem Satz. Sie lehnt sich vor, Nägel klopfen rhythmisch, die Lippen leicht geöffnet, als wäre der Geschmack des Sieges immer knapp außer Reichweite. Aelira zuckt nicht zusammen, mustert sie mit einem langsamen, amüsierten Verachtungsausdruck, der Tavian gleichzeitig fliehen und bleiben lässt. Er fühlt sich aus dem Gleichgewicht gebracht, als würde sich die ganze Welt um Lyskas Lachen und Aeliras eisige Erwiderungen drehen.

Die Luft zwischen Lyska und Aelira knistert vor Spannung, so greifbar, dass Tavian sie auf seiner Haut prickeln spürt. Lyskas Fassade bröckelt für einen Moment, ihr Blick schweift zum Fenster, die Finger zittern leicht, bevor sie grinst – breit, wild, selbstzerstörerisch. Tavian erkennt diesen Ausdruck, fragt sich, wen oder was sie hinter dieser Maske schützt.

„Jemand sollte dich warnen, Frendell“, sagt Aelira, jetzt leiser, doch mit warnendem Unterton. „Glasswell frisst die Unvorsichtigen.“ Sie beugt sich vor, sieht ihm in die Augen, und Tavians Atem stockt vor Nähe. Er nickt stumm, erschüttert von der Gewissheit, dass sie mehr weiß – mehr, als jemand wissen sollte.

Als das Meeting endet, streift Lyska an Tavian vorbei. Ihr Parfum – Jasmin und scharfes Grün – bleibt ihm im Hals hängen. Sie hält kurz inne, die Hand wandert zu seiner Taille, die Finger gleiten fast zufällig unter den Saum seines Pullovers, eine zarte Berührung. „Such mich heute Abend“, flüstert sie, die Lippen streifen sein Ohr, jedes Wort eine Herausforderung und ein Versprechen zugleich. Tavian schaudert; die Berührung ist kurz, aber erschütternd. Lyska schreitet davon, die Hüften wiegend.

Tavians Handy vibriert, eine Nachricht von Viessa: „Aelira ist gefährlich. Pass auf dich auf.“ Sein Herz hämmert, während Aelira sitzen bleibt, ihn mit undurchschaubarem Blick fixiert.

„Lass nicht zu, dass sie dich zerstört“, sagt sie leise, ohne zu sagen, wen sie meint. In diesem Moment wirkt sie weicher, und Tavian liest Erschöpfung hinter den scharfen Konturen ihres Gesichts, die Anspannung in ihrer Haltung, als sie endlich aufsteht. Er bleibt allein zurück, die Brust eng, und spielt jeden geladenen Blick noch einmal durch.

Später im Flur sieht Tavian Lyska und Dersh in den Schatten vor der Dachbar eng beieinander – ihr Lachen leise, ihre Hand rutscht besitzergreifend in seine Jacke, ihr Kuss wild und hungrig. Tavian spürt, wie Eifersucht und Verwirrung sich in seinem Herzen verheddern, Scham prickelt auf seiner Haut. Er dreht um, vermeidet ihren Blick, doch ihre Silhouetten bleiben hinter seinen Augen haften.

Aelira findet ihn bei den Aufzügen. Sie kreist um ihn wie ein Falke, ihr Blick unnachgiebig. „Wir müssen reden“, sagt sie ernst. Sie versperrt ihm den Weg, und obwohl Tavian versucht, sich zurückzuziehen, tritt sie in seinen Raum – nah genug, dass er die feine Narbe unter ihrem linken Auge sieht, die Anspannung in ihrem Kiefer. „Ich weiß, was du getan hast. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es alle wissen.“

Tavians Magen sackt ab. Schweißperlen stehen an seiner Stirn. „Ich—ich hab nicht—“ stammelt er, doch Aelira schüttelt den Kopf: Nicht hier. Noch nicht.

Der Aufzug klingelt. Sie lässt ihn zitternd zurück, allein, während er zusieht, wie sich die Türen schließen – mit der Gewissheit, dass sein Geheimnis nicht mehr seins ist.

Fortsetzung folgt...

Impulse: Unter dem Glas

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