Logo
DE
Loading...

Kapitel 1

Calder nahm das Getöse in der glänzenden Dämmerstille der Turnhalle kaum wahr. Er war eingekeilt zwischen einem Stapel Matten und der kühlen Betonwand, atmete langsam und flach, jeder Muskel angespannt. Havyn war nur Zentimeter entfernt – ihr dunkles Haar zurückgebunden, ein paar widerspenstige Strähnen fielen ihr über die Stirn, während sie ihn mit unverkennbarer Gier ansah. Ihre Finger, rau und kräftig, drückten gegen seine Brust, hielten ihn mit einer einzigen, kontrollierten Hand fest. Ihr Blick durchbohrte ihn: diese unergründlichen Augen, an deren Rand ein kaum wahrnehmbares Zittern von Verlangen lag.

Calders Krawatte saß schief, das Hemd zerknittert, das Schlüsselbein frei, wo der Stoff klaffte. Er schluckte schwer, das Herz pochte ihm bis in den Hals – ihr Körper so nah, dass er den scharfen Geschmack von Schweiß und verbliebenem Parfum schmecken konnte. Havyns Lippen öffneten sich leicht, gerade genug für einen zitternden Atemzug, gerade genug, damit er sah, wie ihre Abwehr nachgab. Ihr Daumen strich über die Mulde zwischen seinen Rippen, ein elektrisierender Funke jagte durch jede Faser. Die Spannung war erdrückend, verstärkt durch das kurze Schweigen, das sie umgab.

Zögernd fand er ihre Hand, glitt über ihren Unterarm; seine Berührung sanft, zeichnete die Linie der Muskeln unter ihrer Haut nach. Ihr Kiefer spannte sich, die Augen huschten zu seinem Mund, dann zurück – einen halben Schritt von der Kapitulation entfernt. Er wollte etwas sagen, schaffte es nicht. Ihre kurzen, abgekauten Nägel hinterließen Spuren auf seinem Hemd. Ein Schauer lief durch sie, und ohne Vorwarnung drückte sie sich näher, fixierte seine Hüften. Ihre Atemzüge verfingen sich – seine Lippen streiften ihre Schläfe, ihre Finger krallten sich unwillkürlich an seiner Taille fest.

Für einen einzigen, unendlich langen Moment existierte nichts außer der elektrisierenden Spannung zwischen ihnen. Ihre Stimme, kaum mehr als ein Flüstern, durchbrach die Stille. „Tu nicht so, als hättest du keine Angst.“ Er lachte nervös, eine Hand verhedderte sich in ihrem Pferdeschwanz, die andere packte ihr Handgelenk, als wolle er sich festhalten. Sie verharrten dort, die Herzen hämmernd, voller Verlangen, aber ohne Mut zum Weitermachen.

Ein entfernter Schritt riss sie auseinander, beide atemlos, ihre Wangen glühten, seine Hände zitterten. Calder zog an den Manschetten, um es zu verbergen, Havyns Maske verhärtete sich, als sie sich abwandte, doch ihre Augen verweilten bei ihm. Er suchte nach Worten. „Du—äh—solltest gehen. Die Leute reden.“ Sie schmunzelte, ein geisterhaftes Lächeln verzog ihre Lippen, doch ihre Haltung blieb angespannt, kurz davor, etwas Unüberlegtes zu tun.

Irgendwo in der Nähe hallten Stimmen – Mitarbeiter, Schüler, die Forderungen der Welt, die wieder auf sie einstürzten. Calders Brust schmerzte vor Fragen, vor dem Verlangen, das sie auf seiner Haut brennen ließ. Er sah Havyn davon schreiten, den Rücken gerade, die Fäuste geballt, und schwor, ihre Hitze noch immer auf seiner Haut zu spüren.

Später, in seinem Büro, die Deckenlampen kalt und steril, saß Calder zusammengesunken an seinem Schreibtisch. Sein Hemd roch noch schwach nach ihr, sein Geist spielte jede Sekunde noch einmal ab. Im Glas fing er sein Spiegelbild ein – gerötete Augenränder, Stoppel im Schatten seines Kiefers, ein Mann, der privat zerfiel. Kaum bemerkte er den Umschlag, der unter seiner Tür hindergeschoben wurde, bis er gegen seinen Schuh kratzte.

Mit zitternden Händen riss er ihn auf und entfaltete den Zettel darin. Nur eine einzige Zeile, getippt und ohne Unterschrift:
Du bist nicht der Einzige, der etwas zu verbergen hat.

Sein Mund wurde trocken. Er blickte den leeren Flur entlang, fand nur die Stille, die schwer wie ein Geheimnis zurückdrückte.

Fortsetzung folgt…

Verstrickte Herzenslinien

13%
Verstrickte Herzenslinien: Fesselndes Liebesdrama online