Kapitel 1
Kaels Hand knallte auf die raue Holzkiste, der Aufprall ließ reife Aprikosen zu Irisas Füßen kullern. Sie richtete sich ruckartig auf, ihr Blick blitzte, Pollenstaub zog eine Spur über ihre Wange. Um sie herum tobte das Chaos des Marktes – Lachen, Feilschen, die feuchte Mischung aus Frucht und Schweiß – doch unter Kaels finsterem Blick gab es nur die Hitze ihres Aufeinandertreffens. Er beugte sich vor, seine Stimme ein Knurren, das nur für sie bestimmt war, die Muskeln seiner Arme spannten sich unter den hochgekrempelten Ärmeln seines Leinenhemds. „Dein Stand ragt schon wieder in meine Gasse rein. Glaubst du, die Regeln biegen sich nur für dich?“
Irisa trat vor, ihre Stiefel knirschten auf dem Obst. Sie zuckte nicht zusammen, das Kinn stolz erhoben, lose Strähnen fielen aus ihrem unordentlichen Zopf, während sie eine Kiste Pfingstrosen näher schob und absichtlich mit der Hüfte Kaels Oberschenkel streifte. Ihre Stimme war leise und bestimmt, doch ihre Finger zitterten leicht auf den Blütenblättern. „Vielleicht würdest du merken, dass die Leute gern in meiner Nähe sind, wenn du nicht so laut schreien würdest.“ Ihr Lächeln flackerte, zerbrechlich wie Glas. Für einen Moment schwebten ihre Körper – Schultern berührten sich, Lippen nur Zentimeter entfernt, Puls und Spannung drängten den Raum zwischen ihnen zusammen.
Kael packte ihr Handgelenk, als sie nach einer weiteren Kiste griff, ihre Hände stießen zusammen, Finger verhedderten sich – sein Griff fest, ihrer weich, aber beharrlich. Sie versuchte sich loszureißen, doch sein Daumen glitt über ihren Puls, und sie keuchte unwillkürlich. Das Geräusch zerrte an ihm. Unter der Oberfläche löste er sich auf, die Schärfe in seinen Augen wich etwas Rohem und Hungrigem. „Du magst das.“ Seine Stimme war eine kleine, gefährliche Herausforderung. Sie hielt seinen Blick zu lange – dann riss sie die Hand zurück, das Gesicht gerötet, die Lippen leicht geöffnet, eine Herausforderung darin, die zitterte.
Mykas Lachen brach hinter dem Espressowagen hervor und schnitt die Spannung entzwei. „Wollt ihr euch jetzt küssen oder bis zum Tod kämpfen?“ piepste sie, die Schürze mit Kakaopulver bestäubt, die Augen voller Schalk. Kael sah zuerst weg, der Kiefer angespannt, die Ohren knallrot.
Der Rest des Tages verging in einer Reihe von Beinahe-Kollisionen – Schultern streiften sich an der Waage, sie rissen sich um dasselbe Kassenbuch, jede Berührung war zufällig, aber geladen, jeder Blick länger als erlaubt. Irisas leichtes Lachen vor den Kunden verstummte, sobald sie sich abwandten und sie allein mit zitternden Händen zurückließen.
Nach Ladenschluss leerte sich der Markt in einem leisen Regenrauschen. Kaels breite Silhouette verweilte am Stand, Krawatte gelockert, Haare wild, die Schultern nach vorn gezogen, als würde er einen Schlag erwarten. Er presste das Telefon ans Ohr, die Stimme leise und verzweifelt. „Er würde niemals einfach verschwinden. Ich weiß, hier hat jemand etwas gesehen. Ich kann nicht... ich sehe ihn immer wieder.“ Seine Worte brachen, er blinzelte heftig, die Knöchel blass auf dem Holz.
Irisa beobachtete aus den Schatten, die Arme fest um sich geschlungen. Der Himmel grollte, als sie in den Lagerraum huschte, um Vorräte zu holen – nur um Kael schon darin zu finden, das Gesicht vom Regen durchzogen und etwas, das gefährlich nah an Trauer war.
Die Tür klapperte zu, und die Welt schrumpfte auf Atem und Herzschlag. Irisa umarmte sich selbst, doch ihre Kontrolle löste sich auf, die Atemzüge flach und schnell. Kael schwebte dicht bei ihr, suchende Augen. „Du wirkst immer furchtlos,“ flüsterte er, rau. „Aber deine Hände—“ Er griff nach ihr, die Handfläche heiß auf ihrer. Sie zitterte, kämpfte gegen Tränen an, zog sich aber nicht zurück.
Ein Blitz erhellte den Raum zwischen ihnen. Kaels Hand hob sich zitternd, um eine lose Locke hinter ihr Ohr zu streichen. Ihr Atem stockte. „Menschen gehen,“ flüsterte sie, klein und brüchig. „Oder schlimmer.“
Seine Lippen streiften ihre – zaghaft, unsicher – dann vertiefte er den Kuss, Hunger und Entschuldigung ineinander verstrickt. Irisa drückte sich an ihn, die Fäuste krallten sich in sein Hemd, das Herz hämmerte. Der Kuss brannte, verzweifelt und neu, doch gerade als seine Arme sie umfingen, erstarrte sie, riss sich los mit einem gedämpften Schluchzen.
Kaels Hände blieben leer in der Luft hängen. Regen prasselte aufs Dach. Irisa wich zurück, Panik zeichnete sich in jeder Linie ihres Gesichts, sie zitterte so heftig, dass sie kaum seinen Blick halten konnte.
Sie flüsterte: „Bitte nicht.“
Der Donner krachte erneut. Kael stand hilflos da, die Augen wild vor Verwirrung und Schmerz, während Irisa sich gegen die Tür presste, Tränen in den Wimpern, still und zerbrechlich.
Fortsetzung folgt...