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Kapitel 8

Laerise steht halb im Schatten des Treppenhauses, den Blazer fest an die Brust gedrückt, jeder Muskel ihres Körpers angespannt, zu stolz und zu erschöpft, um sich zu bewegen. Ihr Haar ist ein Wirrwarr – klebt an den Wangen, dunkel vom Regen, den sie nicht einmal abgeschüttelt hat. Ihre Lippen sind blutig gebissen, zittern zwischen Wut und Kapitulation. An einem Finger baumelt der Absatz eines Schuhs, der andere tippt nervös gegen den Beton, das Klicken hallt durch den stillen Schacht.

Yulian taucht auf, scharf geschnitten in einem zerrissenen weißen Hemd, die Knöpfe halb offen, Blut blüht an seinen Knöcheln. Sein Blick streift Laerise – hungrig, gequält, verängstigt. Es gibt nichts mehr zu spielen; die Arroganz in seinem Kiefer ist verschwunden, ersetzt durch eine verzweifelte, schmerzliche Verletzlichkeit. Er steht eine Stufe unter ihr, jeder Atemzug rau, die Schultern nach vorn gezogen, als würde er sich auf den letzten Schlag vorbereiten. Seine Stimme durchbricht die Stille. „Hassst du mich immer noch?“ Er lächelt fast, doch das Lächeln verzieht sich vor Schmerz.

Sie lacht – ein zerbrechlicher, wunderschöner Klang. „Ich will dich hassen“, flüstert sie, senkt den Blick, die Wimpern nass. „Aber ich treffe immer wieder die falsche Entscheidung.“ Ihre Finger streifen die Naht an seinem Handgelenk, federleicht, als hätte sie Angst, ihre Sehnsucht könnte sie beide zerbrechen. Ein wackelnder Atemzug, und sie sucht in seinem Gesicht nach etwas Echtem.

Seine Hand legt sich rau und zitternd über ihre. Er zieht sie an sich – ohne Fassade, nur Hitze und Entschuldigung, die Stirn an ihre gedrückt. „Du zerstörst mich“, gesteht er, der Daumen fährt die Linie ihres Kiefers entlang. Der Kuss, der folgt, ist unsicher, hungrig, Körper gepresst in die Ecke des Treppenhauses, Hände in Haaren, Nägel an der Taille, all ihre Wut löst sich auf in dem verzweifelten Festhalten aneinander, auf der Suche nach etwas Reinem. Ihr Bein schlingt sich um seine Hüfte; seine Hand umfasst die nackte Rundung ihres Oberschenkels, zieht sie näher, als könnte Nähe all das Chaos auslöschen.

Als sie sich endlich lösen, sind Laerises Wangen gerötet, eine Träne klebt an ihren Wimpern. „Wenn uns jemand sieht –“ beginnt sie, doch die Warnung bleibt ihr im Hals stecken. Yulian grinst trotz der Schuld. „Lass sie. Das ist das kleinste unserer Geheimnisse jetzt.“ Sie wissen beide, dass das Kapitulation ist, kein Sieg.

Über ihnen beobachtet Belise vom Fenster des Chef-Büros aus, die Lippen zu einer harten Linie gepresst, der Anzug makellos wie immer. Ihr Haar ist glatt, die Augen von Schlaflosigkeit gerändert, ein Absatz unter dem Schreibtisch abgestreift. Sie dreht einen versiegelten Umschlag immer wieder in der Hand, der dunkle Nagellack fängt das erste Licht der Morgendämmerung ein. Der Inhalt könnte Yulians Welt in Asche legen – ein Netz aus Sabotage und Geständnissen. Ihre Fingerspitzen zittern, jede Sekunde geladen mit Unentschlossenheit. Sie atmet langsam und zitternd aus und wirft den Umschlag schließlich in den Kamin des CEOs, sieht zu, wie das Papier sich kräuselt und schwarz wird. Ihre Schultern sinken, die Haltung bricht unter der Last des Loslassens zusammen.

In einem Eckbüro flackert Sciros Spiegelbild in einem dunklen Fenster, Krawatte gelockert, Gesicht undurchschaubar. Die Telefone klingeln unaufhörlich. Niemand geht ran.

Im Treppenhaus stehen Yulian und Laerise ineinander verstrickt, verletzt und atemlos, die Stirn aneinandergelegt. „Und jetzt?“ flüstert sie. Sein Daumen wischt das Salz von ihrer Wange, die Augen voller Ehrfurcht und Unglauben. „Wir überleben“, sagt er – unsicher, hoffnungsvoll, verängstigt.

Sie treten ins Morgenlicht, die Hände ineinander verschlungen, ihre Silhouetten von grellem Weiß umrahmt. Vertrauen zerbrochen, Kleidung zerknittert, aber sie gehen weiter. Drinnen, oben, allein in ihrem gläsernen Reich, schließt Belise die Augen gegen den Sonnenaufgang. Sie ist jetzt mächtig – aber einsamer als je zuvor.

Die Stadt erwacht darunter, gleichgültig. Geheimnisse schlafen in der Asche. Und irgendwo tief in HalcyonGen bleibt das Verlangen zurück, scharf wie zerbrochenes Glas, süß wie eine Möglichkeit.

Gravitationsbruchlinien

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Gravitationsbruchlinien: Fesselnde romantische Dramaserie