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Kapitel 8

Das Lagerfeuer spuckt träge Funken in die vom Morgengrauen gefärbte Luft, Rauch kringelt an frostbissigen Wangen vorbei. Kaiden steht nah genug am Feuer, dass die Flammen die Konturen seines Kiefers betonen, sein dunkles Haar zerzaust, die Augen weich, aber wachsam unter der blauen Erschöpfung. Er versucht, Lirae nicht anzusehen, doch sein Blick wandert immer wieder zu ihr – gefesselt davon, wie sie die Arme vor der Brust verschränkt, die Muskeln unter ihrem abgetragenen Unterhemd sich anspannen, das blonde Haar wirr vom nächtlichen Chaos, die Lippen blutig gebissen von unausgesprochenen Geständnissen.

Maelis verweilt am Rand, die Arme verschränkt, ihre Kochjacke gegen einen anthrazitfarbenen Pullover und Jeans getauscht. Sie wirkt größer als sonst, die Schultern gerade, eine tiefe Falte zwischen den Brauen. Sie beobachtet Zira, die auf einem Baumstamm hockt, die Knie angezogen, die Finger nervös am Saum ihres Thermoshirts zupfen. Ziras Gesicht ist voller unruhiger Linien – scharf, schön und offen gezeichnet von inneren Dämonen, eine einzelne rote Haarsträhne kringelt sich an ihre Wange, die Haut blass, bis auf das gesprenkelte Rot an ihrem Hals.

Die Stille hängt schwer, spröde wie die Morgenluft. Lirae durchbricht sie – die Stimme rau von alten Wunden. „Wir können nicht weitergehen, wenn wir uns weiter belügen.“ Sie sieht Kaiden an, der Kiefer angespannt, versucht mutig zu sein, obwohl ihre Finger gegen die Rippen zittern.

Kaidens Stimme bricht, als er spricht. „Zira hat mich gedeckt. Niemand sonst wusste es, aber… der Unfall? Das war mein Fehler.“ Sein Hals arbeitet, die Augen huschen zu Zira – ein stummes Entschuldigen. „Ich hab uns kaputtgemacht. Alles kaputt.“

Ziras Lippen zucken zu einem halben Lächeln, Schmerz durchzieht den Humor. „Du kriegst nicht die ganze Schuld,“ murmelt sie, das Kinn gesenkt. „Ich hab meine Entscheidungen getroffen.“ Ihre Stimme zittert, doch sie sieht auf – direkt, ungeschützt. „Ich hatte Angst, euch beide zu verlieren. Stattdessen hab ich mich selbst verloren.“

Maelis rückt näher. Ihre Hand ruht zögernd, sanft auf Ziras Oberschenkel. „Wir tragen alle etwas mit uns,“ flüstert Maelis, zum ersten Mal mit zitternder Stimme. „Ich hab es satt, es allein zu tragen.“ Sie schaut in die Runde, die Augen brennen. „Ich will gesehen werden. Ich will zählen.“

Lirae tritt auf Kaiden zu. Ihre Blicke treffen sich – alte Sehnsucht, ausgehöhlt von Reue, flammt wieder auf. Seine Hände sind kalt, als er ihre Wangen umfasst, doch seine Berührung ist ehrfürchtig, behutsam. „Ich hätte um dich kämpfen sollen,“ haucht er, der Daumen streicht über ihren Kiefer. „Jetzt kämpfe ich.“

Liraes Antwort ist ein tränenvolles Lachen, während sie sich vorbeugt und die Distanz schließt. Ihre Lippen treffen sich mit der dringlichen Zärtlichkeit eines Versprechens – der Kuss langsam, tief, übervoll von Entschuldigung und Hoffnung. Sie klettert auf seinen Schoß, die Hände ballen sich in sein Hemd, seine Arme schließen sich um ihre Taille. Ihre Stirnen berühren sich, Atemzüge vermischen sich in der Kälte, als ob keiner von beiden es wagt, sich wieder zu entfernen.

Hinter ihnen ziehen Maelis und Zira sich in den Schatten zurück. Im Schweigen streicht Maelis Schnee aus Ziras Haar, steckt es behutsam hinter ihr Ohr. Zira ist ungewöhnlich still, ihre sonst so scharfe Art von Trauer gemildert. Maelis Stimme stockt. „Du gehst, oder?“

Zira nickt, blinzelt heftig, der Mund verzieht sich. „Ich kann nicht bleiben. Nicht nach allem.“ Sie nimmt Maelis’ Hand, hält sie fest. „Aber ich werde mich daran erinnern. Du hast mich sicher fühlen lassen.“ Sanft drückt sie ihre Lippen auf Maelis’, langsam und sehnsuchtsvoll. Maelis verweilt im Kuss, die Augen geschlossen, die Hände zittern. Als sie sich lösen, tritt Zira zurück, beißt sich so fest auf die Lippe, dass sie blass wird.

Als die Sonne über den Grat steigt, fällt goldenes Licht über die Lichtung. Kaiden und Lirae stehen auf, die Arme ineinander verschlungen, die Wangen tränenverschmiert, aber erfüllt von etwas Zerbrechlichem und Hellem. Zira bleibt noch einen Moment an Maelis’ Seite, ihre kleinen Finger ineinander verschlungen, stille Versprechen in der Kälte.

Die vier schlendern zum Rand des Aussichtspunkts, die Stiefel knirschen im Gleichklang, die Schultern nah, aber nichts berührt sich wirklich. Unter ihnen glänzt die Welt im frischen Schnee – roh, ungewiss, wartend. Kaidens Hand schwebt nahe bei Liraes. Maelis wischt sich eine Träne von der Wange, fast ein Lächeln, während Zira mit feuchten Augen zurückblickt. Ihr Atem zeichnet Gespenster in die Luft, vermischt sich und zerstreut sich – vier verletzte, offene Herzen, die den Tag herausfordern.

Brüche der Herzenslinie

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