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Kapitel 8

Siraes Sakko – mitternachtsblau, maßgeschneidert, um einzuschüchtern – hängt schief von einer Schulter, während sie vor dem lackierten Konferenztisch steht, der Rücken gerade, die Augen wie geschmolzenes Stahl. Eine Ader pulsiert an ihrer Schläfe; sie weigert sich zu zucken, während Amaya Norell, makellos in einer Seidenbluse, über halbmondförmigen Brillengläsern finster blickt. Cael – Krawatte gelockert, Locken zerzaust, Kinn von schlaflosem Stoppelbart beschattet – wartet angespannt an ihrer Seite. Seine Hand schwebt an ihrem Rücken, berührt sie nicht ganz, doch sie spürt die Hitze trotzdem, das stumme Flehen: Bleib.

Mit einer schnellen Bewegung schiebt Sirae die Firmenerklärung über den Tisch, die Stimme ruhig. „Wir verstecken uns nicht. Weder als Anwälte, noch als Liebende. Stellt eure Fragen.“ Ihre Lippen sind fest zusammengepresst, doch als Caels Daumen ihre Hüfte streift, wird ihr Atem sanfter; ihr Herz hämmert so laut, dass sie glaubt, jeder müsse es hören. Sie erwischt ihn beim Zuschauen: Hunger und Angst kämpfen hinter seinen klugen, gequälten Augen.

Auf der anderen Seite des Glastisches sind die Vorstandsmitglieder nur zusammengekniffene Augen und leises Murmeln, doch es ist Caels Vater, stoisch im anthrazitfarbenen Anzug, der schließlich sagt: „Und was habt ihr sonst noch verheimlicht?“ Die Worte beißen, doch Caels Mundwinkel ziehen sich bitter und mutig nach oben.

„Alles“, sagt er rau. „Aber nicht mehr.“ Sie schlingt ihre Finger in seine, lässt die Welt zusehen. Die kleinste Kapitulation – und doch alles.

Als die Sitzung endet, summt der Flur vor geflüsterten Drohungen. Thalen steht nahe den Aufzügen, sein Sakko schief, die Krawatte mit nervösen Fingern geknotet. Liseva – heute mit offenem, dunklem Haar, die Augen noch dunkler – wartet an der Tür. Er wendet sich ihr zu, die Stimme zittert, doch ist klar. „Du hättest uns zerstören können.“ Er schluckt, die Knöchel weiß. „Aber du hast es nicht getan. Warum?“ Noch nie hat er so verletzlich, so echt gewirkt.

Sie zuckt mit den Schultern, ihre Augen flackern, Bedauern darin. „Nicht alles verdient es zu brennen.“ Für einen atemlosen Moment schwindet Thalens Fassade. Er beugt sich vor, will mehr – einen Grund, ein Versprechen – doch sie ist schon weg, die Absätze klackern davon. Allein zieht er sich die Hand durch die Haare, Erleichterung und Herzschmerz verheddern sich in seiner Brust.

Sirae findet Cael auf dem Dach, die Stadt pulsiert unter ihnen. Der Wind hebt seinen Hemdkragen, seine Silhouette gezeichnet vom Straßenlicht. Er wartet, die Anspannung in der straffen Linie seiner Schultern eingemeißelt. Sie steht hinter ihm, die Finger zittern, als sie den letzten Knopf seines Hemdes öffnet und es fallen lässt; Verletzlichkeit ist ein langsames, elektrisierendes Gefühl. Er dreht sich um, die Augen weit, völlig offen.

Sie küsst ihn – langsam, sehnsüchtig, der Druck ihrer Lippen zugleich Frage und Antwort. Caels Hände gleiten zu ihrer Taille, ziehen sie dicht an sich, jede Linie ihres Körpers von hungrigen Handflächen erkundet. Ihre Berührung ist verzweifelt, ehrfürchtig, als hätten sie beide nie wirklich geglaubt, dass dieser Moment kommen würde. Sie schmeckt das Salz an seinem Kiefer, spürt sein Zittern, als er ihren Namen haucht.

Ihr Rock fällt zu Boden; sie lacht leise, zitternd, ungeschützt, und er hält sie mit beiden Händen fest. Die Stadt summt, weit entfernt jetzt, während er auf die Knie sinkt, die Lippen wie Feuer über ihren Oberschenkel, ihren Bauch, ihre Rippen gleitend – Hingabe in jeder Bewegung. Siraes Hände verfangen sich in seinem Haar, ziehen, während sie keucht, ihr Körper keine Rüstung mehr, sondern Einladung. Sie zieht ihn hoch, küsst ihn leidenschaftlich, schlingt die Beine um seine Hüfte. Sein Mund ist überall – Schlüsselbein, Schulter, Lippen – verschlingt jedes gestammelte Geständnis, das sie nicht auszusprechen vermag.

Sie fallen zusammen, Haut auf Haut, die kühle Luft vermischt sich mit Hitze. Jeder Stoß, jeder Schrei, jedes verzweifelte Festhalten bedeutet mehr als Worte je könnten; Angst und Verlangen lösen sich in der offenen Luft auf, kein Verstecken mehr, kein Kalkül, nur brutale, wunderschöne Sehnsucht. Sie flüstert: „Lass nicht los.“ Er antwortet: „Nie.“

Später, verheddert in seinen Armen unter den Sternen, studiert Sirae sein schlafendes Gesicht, weicher als je zuvor. Da ist Frieden, aber auch der scharfe Schmerz all dessen, was ungewiss ist – die Narben, die Intrigen im Vorstand, die Geschichten, die morgen die Schlagzeilen füllen könnten. Sie küsst seine Schulter, dann die Narbe an seinen Rippen, beansprucht ihn auf kleine Weise.

Der Morgen dämmert, als Thalen zu ihnen stößt, das Sakko lässig über eine Schulter geworfen, ein hoffnungsvolles halbes Lächeln auf den Lippen, während er dampfenden Kaffee neben ihnen abstellt. Sie stehen auf, die Kleidung zerknittert, das Haar wild, die Augen rot und glänzend – bloßgestellt, aber ungebrochen. Für einen Moment lehnen sie sich gemeinsam an das Geländer, schweigend, beobachten, wie die Sonne die Glastürme einfängt.

Die Stadt erwacht um sie herum, doch für jetzt sind sie genug – ängstlich, strahlend, unvollendet. Sirae verschränkt die Finger mit Caels, legt den Kopf an seine nackte Schulter und wagt es zum ersten Mal seit Jahren, an mehr zu glauben.

Bruchlinien des Verlangens

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