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Kapitel 7

Regen prasselt in hektischen Stößen gegen die Fenster des Wahlkampfbüros, ein elektrischer Puls in der fiebrigen Stille. Callen steht vor der Glaswand, sein anthrazitfarbener Anzug zerknittert, die Krawatte lose, der Kiefer zu einer Maske aus Trotz angespannt, durchzogen von Erschöpfung. Auf seinem Handy flackern digitale Schlagzeilen auf – seine Geheimnisse lodern für die Welt, Worte wie „Betrug“ und „Vertuschung“ bohren sich mit jeder Benachrichtigung tiefer. Mit zitternder Hand fährt er sich durch die Haare, zerzaust sie; die Fassade droht zu zerbrechen.

Er spürt Rysas Annäherung, bevor er ihre Absätze hört – ein feines Zittern in der Luft, vertraut und elektrisierend. Sie trägt ein strenges schwarzes Kleid, schlicht und doch scharf geschnitten, die Ärmel hochgekrempelt, als würde sie sich auf einen Kampf vorbereiten. Ihre Augen, von Müdigkeit umrandet, fixieren ihn mit eisiger Ruhe, doch ihr Mund verkrampft sich, als würde sie jedes unausgesprochene Wort zurückhalten. Er öffnet den Mund, eine Entschuldigung zittert auf seiner Zunge, doch sie hebt die Hand und bringt ihn zum Schweigen.

„Du hättest es mir sagen können“, sagt Rysa, die Stimme tief und zu ruhig. Ehrlichkeit bietet keinen Schutz mehr, keinen Raum für Nachsicht. Ihre Haltung ist Disziplin; die Finger umklammern weiß vor Anspannung den Ordner, den sie überbringen soll – seine erzwungene Rücktrittserklärung. Er will nach ihr greifen, doch die Scham hält ihn fest.

Er nimmt den Ordner, ihre Hände berühren sich – Hitze, Bedauern, Erinnerung. Callens Stimme bricht, entblößt die Fassade, die er vor allen außer ihr trägt. „Ich wollte dich schützen. Ich dachte—“ Er stockt, sieht den Schmerz über ihr Gesicht flackern, ihre Augen verweigern das Leuchten.

„Tu es nicht.“ Sie blinzelt heftig, die Wimpern zittern. „Es geht nicht mehr um mich.“ Die Lüge schmerzt in ihrer Kehle. Sie kann ihm nicht in die Augen sehen, die Schultern gesenkt, als könnte sie in sich zusammenfallen, wenn er sie weiterhin so ansieht – als wäre sie das Einzige, was je gezählt hat.

In der ganzen Stadt zerbricht Odessas Welt. Sie ist in einem kargen Hotelzimmer, packt hektisch, ihr blondes Haar zerzaust und wild, die Lippen aufgebissen, um die Angst zu unterdrücken. Ihr Handy blinkt mit Drohungen von Rivalen, und das Echo ihres letzten Aufeinandertreffens mit Rysa brennt wie Säure: „Ich wollte etwas Echtes“, hatte sie geflüstert, die Augen endlich feucht, als sie Rysa in einen schmerzhaften, verzweifelten Kuss zog – einen Kuss, der nach Abschied schmeckte.

Rysa kann es nicht abschütteln – Odessas Geständnis drückt auf ihr, während sie vor den Kameras steht, kühl und professionell, die Erklärung vorliest, die Callen zerquetscht. „Mit sofortiger Wirkung hat Herr Lysford seinen Rücktritt eingereicht.“ Ihre Stimme bleibt fest, doch hinter dem Rednerpult zittern ihre Finger.

Als die Menge sich zerstreut, schließt Rysa sich im Badezimmer ein, starrt ihr Spiegelbild an. Sie sieht aus wie eine Fremde – gebissene Lippen, rot umrandete Augen. Trauer schießt scharf wie Panik durch sie hindurch, und sie rutscht zu Boden, die Knöchel fest gegen den Mund gepresst, um kein Geräusch zu machen.

Unter dem grauen Abendhimmel lehnt Mirelle an einer verrosteten Feuertreppe, das Haar vom Regen an die Wangen gepresst. Sie trägt Sorens Jacke, viel zu groß, durchdrungen vom Geruch von Tabak und Reue. Die Stadt summt unter ihr, doch ihre Welt schrumpft auf den Schmerz in ihrer Brust zusammen. Soren taucht auf – dunkle Locken durchnässt, stürmische Augen, Verletzlichkeit offen auf seinem Gesicht. Er versucht nicht zu lächeln; es bleibt nur die Wahrheit.

„Alles war eine Lüge“, flüstert Mirelle, die Stimme zerfetzt. Soren tritt näher, die Hände sanft, als könnte sie vor seiner Berührung zurückschrecken. „Nicht alles“, fleht er, die Fingerspitzen streifen ihren Kiefer, Entschuldigung durchzogen von Verlangen. Für einen Moment lässt sie ihn zu – der Mund findet seinen, verloren im Regen, ein Kuss mehr voller Trauer als Hoffnung. Hände greifen, Körper sehnen sich, Verzweiflung verschmolzen mit Vergebung, ihre Verbindung eine Elegie für alles, was sie nicht sein konnten. Doch als die Dämmerung droht, zieht sich Mirelle zurück, hohläugig. „Ich kann das nicht“, sagt sie, der Herzschmerz sanft, aber endgültig. Soren senkt den Kopf, Tränen verborgen im Regen.

Stunden später steht das Wahlkampfbüro leer, alles aus glänzendem Glas und geisterhaftem Licht, bis auf Callen und Rysa. Er sitzt auf dem Schreibtisch, ohne Krawatte, das Hemd am Kragen offen – auf jede erdenkliche Weise gebrochen, die er sich nie eingestehen wollte. Sie verweilt an der Tür, die Kontrolle schwindet, jeder Atemzug ein Kampf. Ihre Blicke treffen sich – alte Wunden, neues Verlangen, alles Ungesagte zündet in der dichten Stille Funken.

Callen macht den ersten Schritt, die Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Wir könnten einfach… wir sein. Keine Kampagne, kein Verstellen. Nur wir.“ Doch sie schüttelt nur den Kopf, das Lächeln schmerzt, unvergossene Tränen fangen das Licht ein. „Wir wussten nie, wie“, sagt sie, die Stimme zitternd.

Für einen Moment schweben sie – zusammen, doch getrennt – bis der Aufzug in der Ferne klingelt und die Stille zerschneidet. Rysa tritt zurück, löst den Bann, lässt Callen fröstelnd in ihrer Abwesenheit zurück.

In der ganzen Stadt fährt Odessas Taxi vom Bordstein weg. Eine schattenhafte Gestalt tritt aus einer Gasse, das Telefon ans Ohr gepresst. „Es ist erledigt“, murmelt er. Der Bildschirm wird schwarz.

Fortsetzung folgt...

Axiom der Sehnsucht

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