Kapitel 8
Lys Carrows Haare kleben wirr vor Schweiß, ihre dunkle Bluse klebt und ist an der Schulter zerrissen. Sie taumelt zurück gegen eine Reihe Metallspinde, während Tash Brek mit wildem, glasigem Blick über den zerstörten Auktionsboden stürmt. Tash’ Knöchel sind weiß vor Anspannung um den Griff einer Pistole, ihr Kiefer so fest zusammengebissen, dass eine Ader unter der Haut pulsiert. Zuriel tritt vor, schwer atmend, die breiten Hände offen zum Zeichen der Kapitulation; sein Hemd offen, die Brust übersät mit alten blauen Flecken und der frischen Schramme eines neuen Kampfes. Schatten flackern im zerstörten Licht, jeder von ihnen gezeichnet von der rauen Verzweiflung, die sich in ihren Gesichtern abzeichnet.
Tash spuckt aus: „Du hast wirklich geglaubt, du könntest mich dafür eintauschen?“ Sie richtet die Waffe auf Lys, die das Kinn hebt, aber ihre zitternden Hände nicht kontrollieren kann. Ihre Mascara ist verschmiert, die Lippen blutig gebissen. Zuriels Blick springt von Lys zu Tash und zurück – er weiß, wenn er sich falsch bewegt, verliert er sie beide, vielleicht für immer. „Ich hab dich nie so geliebt, Tash“, haucht Lys, doch die Worte zittern. Tash lacht, ein raues, hässliches Geräusch. „Du hast nie jemanden geliebt außer dich selbst.“
Axton steht am Rand, sein dunkler Anzug mit Staub bedeckt, Krawatte locker, Gesicht halb im Schatten, halb vom grellen gelben Licht beleuchtet. Er beobachtet, kalkulierend, die Kinnlinie starr vor Wut und Reue. Für einen Moment trifft sein Blick Zuriels – Erinnerungen blitzen auf, alte Loyalität ertränkt im Verrat. Valein zuckt hinter einer Säule zusammen, ihre geflickten Jeans mit Farbflecken übersät, die Arme schützend um sich geschlungen wie eine Rüstung. Ihre Augen glänzen, bodenlos vor Schmerz, doch sie weint nicht. Sie wagt es nicht.
Die Geheimnisse – Zuriels Diebstähle, Lys’ Lügen, Axtons Rachefeldzug – zerschellen in Scherben, während Tash näher schleicht und jeden Namen, jede Sünde wie bittere Bonbons ausspuckt. Jede Anschuldigung reißt alte Wunden auf. Lys bricht zusammen, die Stimme brüchig: „Ich war’s. Ich hab dich reingelegt, Axton. Ich hatte Angst. Es tut mir leid.“ Sie sieht ihn nicht an, doch Axtons Atem stockt, sein Gesicht ein brutaler Mix aus Wut und etwas Weicherem, das auflodert und erlischt. Valein ringt hervor: „Hört auf! Bitte. Hört auf, euch gegenseitig zu verletzen.“ Ihre Stimme ist dünn, doch sie richtet sich auf – nicht mehr das Kind, das verzweifelt nach Anerkennung sucht.
Tash schwingt die Pistole auf Zuriel, die Hände zittern jetzt, Mascara läuft nass die Wangen hinab. „Hat sie dich auch belogen?“ Zuriel antwortet nicht. Er dreht sich nur um, greift sanft Lys’ Handgelenk und zieht sie hinter sich. Ihre Körper pressen sich aneinander, Lys sinkt in ihn hinein, Tränen laufen heiß und hässlich über ihre Wange, durchnässen seine Brust. „Ich hab genug geblutet für das hier“, sagt Valein, und es klingt wie zerbrechendes Glas – ihre Stimme so hart wie Beton. Sie tritt ins Licht, das Kinn erhoben, und sieht Tash direkt an. „Schieß auf mich, wenn du willst. Ich bin nicht dein Spielball.“
Tash’ Entschlossenheit bröckelt. Sie senkt die Waffe, taumelt zurück, ihre Stimme plötzlich klein. „Ihr seid alle füreinander bestimmt.“ Die Waffe klirrt auf den Beton. Für einen langen Moment herrscht Stille.
Valein dreht sich um, wirft Lys einen letzten, rohen Blick voller Sehnsucht zu – dann schlüpft sie durch eine Seitentür, ihre farbfleckigen Finger gleiten über die ramponierte Wand. Axton folgt ihr, bleibt aber abrupt stehen, die Schultern schwer unter der Last der Vergebung. Er sieht Lys an, die Stimme leise und brüchig: „Ich wollte dich hassen. Aber ich kann nicht.“ Der Schmerz in seinen Augen ist echt, aber auch die Befreiung. Er geht ebenfalls davon, der Anzug über eine Schulter geworfen, verschwindet im neonbeleuchteten Morgengrauen.
Zuriel und Lys bleiben allein zurück. Er umfasst ihr Gesicht, jetzt sanft, wischt ihr die Tränen weg und legt die Stirn an ihre. „Du hättest mich zerstören können“, murmelt er heiser. Lys lacht, ein scharfer, gebrochener Atemzug auf seinen Lippen. „Hab ich. Aber ich wollte, dass du mich siehst.“ Ihre Hände ballen sich in sein Hemd, als er sie zu sich zieht, ihr Kuss tief und verzweifelt – keine Täuschung mehr, keine Rüstung, nur verletzte Münder und unausgesprochene Versprechen. Der Geschmack von Salz und Schweiß, der Druck ihrer Körper in der stillen Halle, die Welt schrumpft auf genau das hier: verschlungene Glieder, geflüsterte Namen, ein fieberhaftes Verlangen gesehen, gehalten, vergeben zu werden.
Als es vorbei ist, liegen sie nebeneinander auf der kalten Ladefläche, verletzt, aber atmend, die Finger ineinander verschlungen. Draußen färbt sich der Himmel violett zum Morgen. Schritte hallen, leise und dann verstummt. Das Lagerhaus, leer von Geheimnissen und Hitze, wartet im neuen Licht – hallt nach von dem, was verloren ging und dem, was, unmöglich, zurückblieb.