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Kapitel 2

Zuriels Knöchel sind aufgerieben; Schmierflecken zeichnen sich an seinem Kiefer ab, ein schwarzer Streifen zieht die Linie seines Halses hinab. Er lehnt sich an den Rand eines ramponierten Wagens, die schweren Arme verschränkt, der Kiefer zuckt, als Lys in Stiefeln mit hohen Absätzen über den Beton schreitet. Ihr Haar ist zu einem glatten Knoten hochgesteckt, eine einzelne Locke fällt über ihren Wangenknochen. Sie sieht ihn nicht an, zumindest nicht sofort – ihr Blick haftet auf dem Klemmbrett, das sie an die Brust presst, die Lippen zu einer perfekten Imitation von Gleichgültigkeit gepresst.

Sie trägt ein enges schwarzes Kleid, das knapp über ihre Hüften streicht, und Zuriels Augen bleiben starr, selbst als sie ihren Mantel auf eine Kiste wirft und sagt: „Du hast die Plätze umgestellt. Ohne mich zu fragen.“ In ihrer Stimme liegt eine Herausforderung, in ihrer Haltung, das Kinn erhoben, eine zerbrechliche Art von Wagnis.

Zuriel zuckt langsam und frech mit den Schultern, doch sein Hals ist trocken. „Dachte nicht, dass es dich interessiert, welcher Müll zuerst hochkommt.“ Er versucht Verachtung, doch die Worte bleiben ihm im Hals stecken. Lys’ Mundwinkel zucken – ein kleines, triumphierendes Lächeln. Sie tritt in seinen Raum, ihre Körper fast berührend, und für einen Moment atmet keiner von beiden.

„Pass auf dich auf, Hafenjunge“, murmelt sie. Ein Puls schlägt in ihrem Hals. Zuriel senkt den Blick darauf, doch sein Gesicht bleibt ausdruckslos. Er hat gelernt, nicht zu zeigen, was er will.

Draußen hallt das Kratzen von Metallrollläden. Axton taucht in der Tür auf, sein Anzug makellos für Mitternacht, die Schuhe glänzen im blauen Schatten. Er wiegt jeden Blick mit einem schlauen, giftig-weichen Lächeln, fährt sich mit den Fingern durch das dunkle Haar und mustert den Raum. „Charmant wie eh und je“, zieht er bei Zuriel die Lippen spöttisch hoch, doch seine Augen – scharf und flüssig – verweilen einen Moment zu lang. Ein Schimmer unter der Verhöhnung. Groll, ja. Wiedererkennung. Etwas anderes, halb verborgen und gefährlich.

Nachdem Axton zum Büro-Loft hinaufschreitet, folgt Lys ihm, den Rücken gerade, die Absätze klackern. Zuriel beobachtet, wie sie sich bewegt, seine Hände ballen sich ungeduldig, Hitze krallt sich an seine Brust. Oben steht Lys Axton am zerbrochenen Fenster gegenüber, schwaches Stadtlicht zittert hinter ihr. Sie wirft ihr Haar zurück, das Gesicht vom Schein erleuchtet. „Du bist hier, um das Sagen zu haben?“ spottet sie.

Axton grinst, lässig, doch mit einem Stahlrand. Er lehnt sich nah zu ihr, die Hand am Glas neben ihrem Kopf abgestützt. „Ich regiere, was regiert werden muss.“ Ihr Schlagabtausch ist glatt, fast einstudiert, doch dazwischen windet sich etwas Echtes – etwas, das Lys das Kinn hebt, herausfordernd, selbst als sich ihre Lippen treffen. Es ist langsam, neckisch, Axtons Finger gleiten über den Stoff an ihrer Taille, während sie auf die Lippe beißt und ihm dann ein wenig von ihrem Mund schenkt. Er eilt nicht. Er will, dass sie sich erinnert, wer hier die Kontrolle hat. Lys stößt ihn weg, bevor es zu viel wird, richtet ihr Kleid, nur leicht außer Atem.

Unten in der Halbdunkelheit läuft Zuriel auf und ab, flucht, steckt die Hände in die Taschen. Er blickt auf, gerade rechtzeitig, um Lys vom Loft zurückkommen zu sehen, das Haar zerzaust, der Lippenstift leicht verwischt. Sein Kiefer spannt sich. Sie wirft ihm einen kühlen Blick zu, doch ihre Augen verweilen. Zuriel tritt näher, die Stimme leise. „Vertraust du ihm?“

Lys lacht – ein spröder, schimmernder Klang. „Ich vertraue niemandem. Nicht mal dir.“ Ihre Hände streifen sich, ob zufällig oder nicht, der Kontakt ist elektrisierend, schmerzhaft.

Weiter hinten im Lager hockt Valein an einer Metallstütze, Jeans mit Farbspritzern tief sitzend, die übergroßen Sweatshirtärmel fallen über ihre Hände. Sie sprüht einen wirbelnden Farbtupfer auf den Beton, summt vor sich hin, messerscharf in ihrer Einsamkeit. Ihr Haar ist ungekämmt, wild, die Wangen blau-grün gefleckt. Zuriel findet sie am Echo ihres Lachens, angezogen wie von einer unsichtbaren Kraft. Einen Moment lang sieht er einfach nur zu. Sie blickt zurück, die Augen weit, verletzlich, Hoffnung flackert in einem schiefen Lächeln.

„Hätte nicht gedacht, dass du Kunst magst“, neckt sie, die Lippen von Farbe getränkt. Zuriel kann nicht anders als zu grinsen. „Bin mir nicht sicher, was ich bin“, gibt er leiser zu. Für einen Atemzug löst sich die Spannung aus seinen Schultern. Sie stehen zusammen in der Stille, Valeins Optimismus ansteckend, und Lys – die vom schattigen Treppenabsatz zusieht – spürt etwas Kaltes und Scharfes, das sich hinter ihren Rippen zusammenzieht.

Später, als die Nacht tiefer wird, streift Lys an Zuriel an einem Vorratsregal vorbei, und seine Hand fängt ihr Handgelenk, nur für einen Moment. „Hat dir dein kleines Treffen oben gefallen?“ Seine Stimme ist leise, fast flehend. Sie dreht sich um, der Blick undurchschaubar, doch die Luft zwischen ihnen ist schwer, dicht von etwas Grollvollem und Hungrigem. Ihr Puls schlägt im Hals, und sie zieht sich nicht zurück.

Axton ist der Letzte, der bleibt, die Finger trommeln auf dem Geländer, die Augen wandern von Lys’ Gesicht zu Zuriels Rücken, zu Valeins flüchtigem Lächeln. Er markiert Bedrohungen, katalogisiert Schwächen – plant bereits.

Tief nach Mitternacht schleicht Valein durch einen schattigen Gang und findet ein ramponiertes Buch in einer Vorratskiste – Seiten mit Codes, die sie fast erkennt. Sie keucht, goldene Augen weit aufgerissen. Im Halbdunkel regt sich eine Silhouette. Lys tritt vor, die Arme verschränkt, das Gesicht zwischen Kalkül und Überraschung gefangen. Ihre Blicke verhaken sich; das Geheimnis pulsiert zwischen ihnen.

Fortsetzung folgt...

Nachglühen am Riven Dock

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